Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
dann wurde sie zur Beute.
Der Vampir küsste ihr sanft die lächelnden Lippen, nahm sich Zeit, ging zärtlich mit ihr um und befriedigte ihr Verlangen einen Augenblick später. Beide seufzten und stöhnten vor Lust. Sie gab ihm großzügig ihr Blut, wieder scheinbar freiwillig, wild darauf, das Raubtier zufriedenzustellen, das wiederum sie zufriedenstellte. Der Blutsauger tat ihr Gewalt an, ohne dass Gewalt im Spiel war. Ihre anerzogenen Hemmungen hatte er verschwinden lassen, ließ ihr nur die tieferen Gefühle, die primitiven Reize und Nöte. In diesem einen Moment liebte sie. Sie bemerkte nichts von der Gefahr, in der sie schwebte, würde glücklich sterben. Mit einem Lächeln auf den Lippen.
Das Spinnenwesen erkannte ein Gefühl des Neides, das es ohne Hilfe von außen empfinden konnte. Ihn zu fühlen war sowohl eine Genugtuung als auch eine Schmähung seiner selbst, und die Intensität, mit der er an ihm nagte, war zumindest ungewöhnlich. Jemand stahl Beute in seinem Revier. Das war irritierend, ärgerlich, machte ihn wütend. Alle, alle gehörten ihm. Jeder einzelne, der in seinem unsichtbaren Netz wandelte, löste in ihm den gierigen Wunsch aus, ihn zu besitzen und zu ergreifen. Der Erfüllung zuzusehen, die ein anderer Feyon genoss, war zutiefst frustrierend. Der Farfola liebte, was er tat, und seine Beute ebenso.
Bald würde sie tot sein, dachte Esmalyn, doch die Frau fühlte keine Angst, ging völlig auf in ihrer Sehnsucht und den allzu angenehmen Sinnesempfindungen, die sie fühlte.
„Mehr“, seufzte sie. „Weiter. Mehr.“ Der Vampir trank mehr.
Esmalyn sog die würzige, emotionsgeladene Luft ein. Sein Verwandter blickte sich nach ihm um. Endlich schien er etwas bemerkt zu haben. Junger, blinder Bruder. Zu sehr mit seinem Spaß beschäftigt.
Das Spinnenwesen trat zurück ins Nichts und schloss die Öffnung in der Realität, ehe der Farfola es sehen konnte. Die Frau würde bald tot sein. Dessen war es sich sicher. Es hatte jedoch nicht fühlen können, wie sie starb. Das war ärgerlich, denn es hatte sich schon darauf gefreut. Doch es war besser zu verschwinden als eine Konfrontation mit dem Verwandten zu riskieren.
Es musste jagen. Jetzt empfand es den Hunger noch schlimmer als zuvor. Es musste selbst fühlen und spüren, tasten und schmecken, und es konnte das nicht ohne eine Beute.
Es jagte, fand ein Herz, das es seiner Gefühle berauben konnte, tötete aber nicht. Manchmal heilten Menschenseelen. Offene Wunden hinterließ es nicht, nur gebrochene Herzen und verbogene Gemüter.
Esmalyn hatte es seit seiner Ankunft sorgsam vermieden zu töten. Sie wollten nicht auf ihre Präsenz aufmerksam machen. Versuche, sie zu bekämpfen, wären zwar sinnlos, doch sie würden ihr immerhin Zeit rauben und sie ablenken. Das Spinnenwesen war gekommen, um der einen Kreatur im ganzen Universum, die es liebte, zu helfen. Also würde es sich an den Plan halten.
Zumindest zum Teil.
Allerdings gab es da das Mädchen. Die Spinne hatte ihre Reaktion auf das Mädchen unterschätzt. Ungewöhnlich. Nett war es auf eine fast aufreizende Art, und so einzigartig. Sein ganzes Wesen war eine einzige Einladung.
Die Notwendigkeit, die junge Frau am Leben zu erhalten – zumindest im Augenblick –, ließ die Spinne eine gewisse Vorfreude verspüren. Sie wurde beschützt. Sie wusste das nicht, erkannte weder den Schutz, noch die Gefahr, in der sie schwebte. Ihre Ahnungslosigkeit und ihre Unschuld waren jedoch ganz wunderbare Angriffspunkte. Sie war voller wilder Gefühle. Irgendwo zwischen Kindheit und Erwachsensein steckte sie fest, unsicher sich selbst und ihrer Umwelt gegenüber und noch unsicherer gegenüber dem flüchtigen Eindruck von lauernder Finsternis, die sie nicht ganz wahrnahm und die sie doch schmackhaft werden ließ, als würde die Angst sie würzen.
Doch im Moment war sie unerreichbar, und sei es nur aufgrund der Entscheidung des Spinnenwesens, zunächst im Hintergrund zu bleiben. Eine lange, ausgedehnte Hatz also. Eine gemächliche Jagd, die die Vorfreude beinahe zu einem tatsächlichen Gefühl werden lassen würde. Dennoch musste es gut achtgeben. Ihre Wahrnehmung war so überdurchschnittlich wie ihre duftende Seele, welche fast überlief vor Hoffnung und Verzweiflung, vor Mut und Furcht. Sie wusste nicht, wer ihre Freunde waren, und sie hatte keine Vorstellung von ihren Feinden. Esmalyn würde vorsichtig vorgehen müssen, um es bei diesem Status quo zu belassen. Die Kräfte, die gegenwärtig am Werk
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