Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Mitgiftjäger. Ich werde keinesfalls dulden, dass sie sich an einen mittellosen Tunichtgut fortwirft.“
„… ein Genie meinst du doch sicher, Liebster“, schalt Frau Lybratte sanft.
„Nur, solange diese Genies die Hände von meiner Tochter lassen.“
„Sie könnte ja stattdessen die Gattin eines deiner Kollegen werden – ein ruhiger Mann mittleren Alters von gesetztem Wesen und ohne plötzliche Unarten. Jemand in deinem Alter vielleicht?“
„Das würde sie nicht mögen. Sie ist ein junges Mädchen, warum sie an einen alten Mann binden?“
„Künstler, Musiker und Wissenschaftler sind nun mal die einzigen Gäste, die zur Soiree kommen.“
„Dann sollte sie … nun, sie braucht ja nicht gleich einen heiraten. Dazu ist doch noch so viel Zeit.“ Er klang ein wenig beunruhigt.
„Sie wird sich bei all den ruhigen Männern mittleren Alters von gesetztem Wesen ohne plötzliche Unarten schrecklich langweilen. Abgesehen von mir wäre sie die einzige anwesende Dame. Man sollte bedenken, wie unangemessen es wäre, den Herren mit dem eher künstlerischen Temperament gar so viel von ihr zu präsentieren. Sie ist ein Juwel, um dessentwillen so mancher gern zum Lügner und Dieb würde.“
„Du hast recht. Wir werden sie wohl doch lieber nicht vorstellen.“
Er glättete eine weitere Notiz und faltete sie ordentlich zusammen, dann noch eine und noch eine. Dann nahm er sie alle wieder auf, um sie zurück in die Tasche zu stecken.
Er sah das Lächeln seiner Frau und lächelte zurück. Die Zettel entfielen seiner Hand und flatterten unbemerkt zu Boden.
„Meine Schönheit!“, sagte er und strich ihr über die Wange.
„Du siehst müde aus, Liebster“, sagte seine Frau zärtlich.
„Ich bin auch wirklich sehr müde.“
„Warum legst du dich nicht ein wenig hin?“
„Es ist noch viel zu früh am Tage für ein Nachmittagsschläfchen.“
„Liebster, du bist der Meister der Zeit – oder wirst es zumindest in Kürze sein. Solche Nebensächlichkeiten sollten dich nicht behindern. Denk an die Maschine, und denk an die Soiree – da solltest du doch ausgeruht sein.“
„Da magst du recht haben. Vielleicht solltest du auch …“
Sie lachte.
„Aber wer schreibt die Einladungen, engagiert den zusätzlichen Koch, legt die Speisenfolge fest und gibt den Dienern ihre Anweisungen?“
„Du bist einfach vollkommen, Liebste.“
„Nur für dich!“
„Ich weiß wirklich nicht, womit ich dich verdiene!“, schmeichelte er, kniff sie liebevoll in die Wange und verließ mühsamen Schrittes das Zimmer.
Vom Sofa her schallte Gelächter, als die Tür sich geschlossen hatte. Lord Edmond lag darauf. Er war die ganze Zeit da gewesen, doch erst jetzt schien er an Substanz zu gewinnen. Er hatte seine Füße hochgelegt und lehnte gemütlich in den Kissen.
„Das weiß ich auch nicht. Womit hat er dich verdient, der arme Kerl?“, kicherte er und spielte mit der Kette seiner goldenen Taschenuhr.
„Ach, sei still!“ Die Anordnung klang weniger scharf, als sie hätte klingen können. „Er ist ein gutes Exemplar – was Menschenmänner angeht.“
„Dann solltest du vorsichtiger sein, meine ewige Liebe. So wie du seine Gedanken durcheinanderbringst, wird er für deine Zwecke irgendwann nicht mehr tauglich sein. Du brauchst doch seinen Geist – zumindest habe ich das angenommen.“
„Seinen Geist auch, ja“, kicherte die Dame.
„Wie viele Genies werden denn versammelt sein?“
„Eine ganze Reihe. Alles Fachmänner, alle herausragend auf ihren jeweiligen Gebieten.“
„Du glaubst immer noch, dass es klappen wird?“ Er klang skeptisch.
„Wir können ihre Brillanz einbinden.“
„Menschliche Brillanz. Das ist so …“
„… wenig ehrgeizig. Das sagtest du schon. Doch was ihnen an geistigem Vermögen fehlt, gleichen wir durch ihre Anzahl aus. Nur das genaue Verhältnis muss ich austarieren. Doch das ist leicht. Mein Sinn für Balance war immer schon vollkommen.“
„Du wirst diesem Land seine besten Männer rauben. Ideen bleiben ungedacht, Maschinen unerfunden, die schönsten Kunstwerke ungemalt, ungeschrieben, unkomponiert. Ist das nicht ein bisschen unfair?“
„Ihre Brillanz dient einem guten Zweck.“
„Die – und die Männlichkeit das alten Narren.“
„Jeder einzelne von ihnen hätte es sein können. Doch ich habe nun mal ihn geheiratet.“
„Ah, liebend Weib und zücht ’ ge Ehefrau …“
„Das wird alles nur funktionieren, wenn wir einen Katalysator haben, unseren
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