Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
Hitchcock-Film mit James Stewart und Grace Kelly?«, fragte Erin ungläubig.
»Genau. Haben Sie den schon gesehen?«
»Ja, vor zwei Jahren. Ich hätte nicht gedacht, dass man in dieser Stadt Filme zu sehen bekommt!«
»Alle paar Monate. Völlig abgeschnitten von aller Kultur sind wir hier nicht, müssen Sie wissen.« Will versuchte, ernst zu bleiben, konnte sich ein freches Grinsen aber nicht verkneifen. »Also eigentlich sind wir doch so ziemlich abgeschnitten von allem, also ist es schon ein Glücksfall, wenn Bill und Barby uns mit einem Film verwöhnen.«
»Wenn Sie ›Open-Air-Kino‹ sagen, meinen Sie dann, dass der Film unter freiem Himmel gezeigt wird?«
»Stimmt genau. Einen Saal, groß genug, um ihn als Kino zu benutzen, haben wir in dieser Stadt nicht. Außerdem finden es fast alle besser, draußen zu sein, natürlich nur an den schönen Sommerabenden. Bill baut in der Nähe der Kneipe eine große Leinwand auf, damit die Zuschauer ein Bier trinken und gleichzeitig den Film sehen können. Sie brauchen bloß noch einen Stuhl mitzubringen.«
»Es ist so schön draußen unter den Sternen«, fügte Thelma hinzu.
»Was für eine originelle Idee«, bemerkte Cornelius. »Die würde in England leider keine Anhänger finden, bei unseren launischen Sommern.«
»Ich schließe das Restaurant bald, damit ich meine zauberhafte Frau ins Kino führen kann«, verkündete Christos stolz.
»Ich hoffe, ich bekomme vorher noch was zu essen«, sagte Will erschrocken.
»Bedaure«, erklärte Christos streng. »Ich muss noch sauber machen …«
Will schaute betreten drein. »Aber …«
»Natürlich bekommen Sie noch etwas zu essen, Will!« Thelma drohte ihrem Mann strafend mit dem Finger.
Der lachte nur. Ganz selten einmal gelang es Christos, Will zum Narren zu halten.
»Bitte setzen Sie sich doch zu uns, Will«, forderte Erin ihn auf.
»Sind Sie sicher? Sie haben schon gegessen. Ich will Sie nicht aufhalten.«
»Ich schaffe bestimmt noch ein Stück von Thelmas Schokoladenkuchen«, erwiderte Erin.
»Ein großes Stück«, sagte Thelma.
»Ein sehr kleines Stück«, erklärte Erin entschieden. »Ich habe schon zu viel Hühnchen gegessen, es war einfach zu köstlich.«
Cornelius fiel die Unbeschwertheit zwischen seiner Nichte unddem attraktiven Constable auf. Sie hatte ihm erzählt, dass sie während seiner Abwesenheit mit Will essen gegangen war. Dass sie so leichtherzig mit ihm umging, erstaunte ihn dennoch.
»Ich bin ziemlich müde heute, du könntest dir den Film mit Constable Spender ansehen, Erin«, schlug er vor.
Argwöhnisch musterte Erin ihren Onkel. »So müde kannst du doch gar nicht sein, Onkel Cornelius«, sagte sie.
»Ich möchte noch katalogisieren, was ich heute gekauft habe, ehe ich die Einzelheiten vergesse.«
Christos kam gerade mit einem Stück Kuchen für Erin an den Tisch. Sie merkte, dass er Cornelius einen anerkennenden Blick zuwarf, doch Erin behagte es nicht, so offensichtlich verkuppelt zu werden, es war ihr peinlich.
»Vielleicht geht Will ja schon mit jemand anderem in den Film«, sagte Erin, die sah, dass der Constable schon wieder verlegen wurde.
Beinahe wäre es aus Will herausgeplatzt, dass alleinstehende Frauen in Coober Pedy seltener seien als Eisbären, aber der Gedanke, dass Erin sich verpflichtet fühlte, mit ihm ins Kino zu gehen, behagte ihm tatsächlich ganz und gar nicht. »Ich wollte allein gehen, doch ich setze mich gern zu Ihnen, wenn Sie wollen. Den Film habe ich noch nicht gesehen, und ich mag die Filme von Alfred Hitchcock. Der Fremde im Zug hat mir unglaublich gut gefallen.«
»Den habe ich auch gesehen«, rief Erin. »Der war sehr gut.«
»Würden Sie sich denn Das Fenster zum Hof gern noch einmal ansehen? Bill und Barby hinken mit den Filmen meist zwei Jahre hinterher. Für die Leute, die kaum je in die Großstadt kommen, ist ein Film, der dort schon seit Jahren in den Kinos läuft, meistens trotzdem noch etwas Neues. Also, wie wär’s, wollen wir uns den Film ansehen?«
»Ja, sehr gern. Es kommt mir vor, als wäre es Monate her, dass ich ein bisschen Kultur erlebt habe. Ich würde mir auch einenZeichentrickfilm von Walt Disney anschauen, wenn nichts anderes liefe.«
Eine Stunde später hatten Erin und Will es sich auf ihren Stühlen vor der provisorischen Kinoleinwand bequem gemacht. Die Natur bot ein unvergleichliches Schauspiel. Die untergehende Sonne verwandelte den westlichen Himmel in ein prächtiges Spiel feuriger Rot- und Goldtöne. Noch waren
Weitere Kostenlose Bücher