Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
waren. In seiner Panik verkroch er sich in seiner Wohnung. Da fand Willy ihn dann drei Tage später, zitternd und schwitzend. Als Mick ihn beschuldigte, ein Geist zu sein, erzählte ihm Willy, was vorgefallen war, und schlug vor, er solle entweder den Alkohol oder das Fahren aufgeben. Die Entscheidung ist Mick nicht schwergefallen.« Jonathan grinste. »Wenn man in RichtungNorden will, kann man sich praktisch nicht verfahren«, erklärte er Erin. »Es gibt nur eine Straße. Und wenn ich über die Grenze ins Northern Territory gefahren bin, kommt fünfzig Meilen später eine Abzweigung, die uns nach Curtin Springs leitet. Der Ayers Rock ist dann nicht mehr weit.« Mick hatte ihm erklärt, er könne in Curtin Springs tanken und Vorräte kaufen, und da sei dann auch ein Campingplatz. »Mick sagt, das klappt schon alles, wenn wir nur genug Lebensmittel, Wasser und Benzin im Wagen haben. Allerdings hat er uns geraten, im Fall einer Panne unbedingt beim Wagen zu bleiben und zu warten, bis jemand vorbeikommt. Wenn wir vom Auto weggehen, haben wir offenbar kaum eine Chance, am Leben zu bleiben.«
»Das klingt nach einem guten Rat«, sagte Erin. »Und es erinnert mich an den Tag, an dem mein Onkel und ich mitten in der Wüste an einem kleinen Bahnsteig standen und darauf warteten, von jemandem abgeholt zu werden … Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
Noch am Spätnachmittag desselben Tages verließen Jonathan und Marlee Coober Pedy in dem Oldsmobile. Jonathan hatte all ihre Habseligkeiten zusammengepackt. Die Steine, die unter Marlees Feldbett versteckt gewesen waren, hatte er ausgegraben. Er würde sie für Marlee verwahren oder sie verkaufen und das Geld anlegen. Wenn sie alt genug war, konnte sie darüber verfügen. Falls sie sich je entscheiden sollte, doch nicht bei den Aborigines leben zu wollen, würde sie nicht mittellos dastehen.
Es war immer noch sengend heiß, doch sie öffneten die Autofenster, sodass die Luft zirkulieren konnte. Marlee saß ruhig neben Jonathan auf ihrem Sitz, ihren Teddybär im Arm. Er wusste, sie verstand nicht, weshalb sie unterwegs waren, deshalb war sie verwirrt. So vieles hatte sich in kurzer Zeit in ihrem Leben verändert. Das brach ihm das Herz, und er war sicherer denn je, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
»Warst du schon mal so lange mit dem Auto unterwegs, Marlee?«, fragte er.
»Nein, Jono. Mein Daddy hat nie ein Auto gehabt«, antwortete Marlee.
Jonathan schwenkte den Wagen herum, um einem riesigen Schlagloch auszuweichen, und der Reifen stieß gegen einen Steinbrocken. An vielen Stellen war die Straße so schmal, dass zwei Wagen kaum aneinander vorbeifahren konnten. Zum Glück gab es nicht viel Verkehr. Wenn sie ein anderes Fahrzeug passierten, wurde Jonathan oft von dem Fahrer angehalten und gegrüßt.
»Tag. Wo soll’s denn hingehen, Kumpel?«, war die übliche Frage.
Beide Fahrer tauschten die jeweiligen Fahrtziele und ein paar Informationen über den Zustand der Straße aus, dann fuhren sie weiter. Auch jetzt winkte ihm der Fahrer eines entgegenkommenden Wagens zu und hielt dicht neben Jonathans Fahrzeug an. Er musterte Marlee.
»Wo haben Sie denn Ihre Abo-Frau?«, fragte er.
Jonathan war ratlos. »Abo-Frau?«
»Na, die Kleine ist doch Halb-Aborigine, oder?«
Verwirrt sah Jonathan Marlee an. »Ja, allerdings. Aber ich habe keine Abo-Frau.«
Der Fahrer des anderen Wagens runzelte die Stirn. »Was machen Sie dann mit einem Abo-Kind?«
»Ich bringe sie zum Ayers Rock«, antwortete Jonathan, fest entschlossen, dem Fremden gegenüber keine weiteren Erklärungen abzugeben.
Der Fahrer kratzte sich am Kopf, zuckte mit den Schultern und fuhr dann grußlos weiter.
Wegen des schlechten Zustands der Straße kamen sie nur langsam und mühselig voran. Bei Regen wäre die Straße wohl gar nicht passierbar, dachte Jonathan. Der aufwirbelnde Staub nahm ihnen den Atem, die Hitze war unbarmherzig. Die Sonne heizte die Sitze so sehr auf, dass sie es kaum darauf aushalten konnten. Als die Schatten des frühen Abends über die Landschaft krochen,kühlte es zum Glück rasch ab. Bei Sonnenuntergang stellte Jonathan den Wagen an den Straßenrand. Er gab Marlee eines der mitgebrachten Sandwiches und etwas Wasser, auch er aß und trank etwas und vertrat sich die Beine.
»Jono, schau!«, rief Marlee auf einmal.
Zwei ausgewachsene Emus und ihre gefleckten Jungen kamen auf ihren Wagen zu. Marlee lächelte, als die Tiere so dicht herankamen, dass man die Hand hätte ausstrecken
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