Jenseits des leuchtenden Horizonts - Roman
und sie hätte berühren können. Die Kleine saß ganz still und gab keinen Mucks von sich. Die einheimischen Tiere waren ihr zwar nicht neu, doch sie liebte es, sie zu beobachten und so der Natur nahe zu sein, wie sie es von ihrer Mutter kannte. Das beruhigte Jonathan. Er tat also das Richtige, wenn er Marlee zu ihrer Aborigine-Familie brachte.
Jonathan fuhr noch eine weitere Stunde und lenkte den Wagen dann an die Seite, um ein Lager aufzuschlagen. Der Zustand der Straße war so schlecht, dass sie im Dunkeln nicht weiterfahren konnten. Es war schon schwierig genug, am Tag den Schlaglöchern und Steinbrocken auszuweichen. Allerdings nahm er sich vor, am nächsten Morgen in aller Frühe wieder aufzubrechen, um die morgendliche Kühle auszunutzen.
Jonathan legte einen Kreis aus Steinen und machte sich dann in der Umgebung auf die Suche nach Feuerholz. Marlee half ihm. Sie war sehr geschickt im Feuermachen, weil sie ihrer Mutter dabei geholfen hatte, seit sie laufen konnte. Als das Feuer hell brannte, hängte Jonathan das Kochgeschirr darüber auf, um Tee zu kochen. Er öffnete eine Dose Cornedbeef und eine Dose mit gebackenen Bohnen und erhitzte beides in einer Pfanne. Während sie aßen, versuchte Jonathan Marlee zu erklären, wohin er sie brachte. Er versuchte ihr begreiflich zu machen, dass ihre Mutter ebenfalls eine Mutter gehabt habe, die Marlees Großmutter sei.
»Und deine Mutter hat Schwestern«, erklärte er. »Das sind deine Tanten. Weißt du noch? Die Emus, die wir vorhin gesehen haben? Das waren Eltern mit ihren Jungen. So ist es auch bei den Menschen.«
»Ja, Jono. Emueier sind echt lecker.« Marlee kicherte.
Jonathan konnte nicht anders, er musste lachen. Er wollte die Jungen des Emu als Beispiel dafür benutzen, dass es so etwas wie Geschwister gab, aber da die Vögel für die Kleine eine ganz andere Bedeutung hatten, war er sich nicht mehr so sicher, dass es mit dieser Erklärung funktionieren würde.
Sie räumten ihr Geschirr zusammen und säuberten es, dann öffnete Jonathan die Heckklappe des Wagens und richtete ihren Schlafplatz. Jetzt, da es dunkel geworden war, wurde es rasch kühl. Sie krochen unter ihre Decken und schlossen die Heckklappe.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Marlee?«, fragte Jonathan und überzeugte sich davon, dass die Kleine gut zugedeckt war.
»Ja, Jono«, sagte sie.
Im Mondlicht, das durch die Fenster zu ihnen hereinschien, sah er, dass sie ihn mit ihren großen braunen Augen vertrauensvoll ansah.
»Dann ist es gut«, erwiderte Jonathan.
Er lag noch lange, nachdem Marlee eingeschlafen war, wach und dachte über die Zukunft der Kleinen nach. Was sollte er tun, wenn ihm der Gedanke, sie bei ihren Verwandten zu lassen, nachdem er sie kennengelernt hatte, nicht behagen würde? Er wollte sie nicht bei ihnen abgeben, um es sich bequem zu machen. Er wollte das tun, was Marlee guttat. Würde ihre Familie sich wehren, wenn er sie wieder mitnahm, weil er den Eindruck hatte, Marlee fühlte sich nicht wohl mit ihnen? Würde er ihnen überhaupt begreiflich machen können, dass sie Geddas Tochter war? Und was, wenn sie Marlee nicht wollten?
Ein neuer Gedanke kam ihm plötzlich. Was, wenn er sie mit nach England nehmen müsste, wenn er wieder zurückging? Wie würde sie es verkraften, fortgebracht zu werden von allem, was ihr vertraut war? Wäre das gut für sie, oder wäre das das Schlimmste, was er tun könnte? Er wusste es einfach nicht.
21
»Ich glaube, so gut hat mir noch nie ein Essen geschmeckt«, sagte Cornelius anerkennend und legte sich die Hand auf seinen Bauch.
Erin und er hatten bei Thelma und Christos gegessen – Hühnchen in einer Sauce aus Tomaten, Basilikum, Chili und Oliven, dazu gab es heißes, krosses Brot, einen wunderbaren grünen Salat und einen sehr guten Rotwein.
»Sie kommen zum Film heute Abend, ja?«, erkundigte sich Christos, als er die Teller abräumte.
Cornelius hatte in Andamooka sehr gute Opale gekauft, aber er hatte zwei Nächte lang auf dem Boden eines Zelts mit den übelsten Schnarchern geschlafen, und was noch schlimmer gewesen war, er hatte nicht besonders gut gegessen. Das saß ihm immer noch in den Knochen.
»Was für einen Film?«, fragte Erin verblüfft. Sie hatte gar nicht gewusst, dass es ein Kino in der Stadt gab.
Constable Will Spender kam gerade rechtzeitig herein, um Erins Frage noch zu hören. »Das Fenster zum Hof« , erklärte er. »Bill und Barbys Open-Air-Kino ist in die Stadt gekommen!«
»Meinen Sie den
Weitere Kostenlose Bücher