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Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Jenseits des Nils: Roman (German Edition)

Titel: Jenseits des Nils: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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zusammenstellte. Nur die besten Offiziere, die fähigsten Männer aus allen Regimentern wurden dafür ausgewählt. Einige von ihnen, Pioniere mit Erfahrung in unwegsamem Gelände, wurden sogar aus Kanada herbeigeholt; sie würden im Sudan zu den Truppen stoßen, die vor Ort waren und sich bereits auf den Weg in den Süden gemacht hatten. Allen voran das Royal Sussex, das sich in el-Teb und Tamai so hervorragend bewährt hatte. Und die Zeit drängte. Gordon selbst hatte in einer seiner letzten Botschaften den 14. Dezember als letzten Zeitpunkt genannt, bis zu dem Khartoum seiner Einschätzung nach durchhalten könnte. Eine Frist, die mittlerweile abgelaufen war.
    Ein Ruck ging durch Becky, und sie fiel Grace um den Hals und drückte die Freundin fest an sich. »Es ist so schön, dass du hier bist!«
    Grace lachte leise und streichelte über Beckys Rücken. »Hab ich dir doch versprochen!«
    »Wir sind gerade am Backen«, erklärte Becky unnötigerweise. »Für den Weihnachtsbasar.« Sie löste sich von Grace und langte hinter sich, um die Taillenbänder der Schürze aufzuziehen, während Grace die Handschuhe in ihre Manteltaschen stopfte, den Mantel auszog, ihren gefütterten Hut abnahm und beides Ruby übergab. Becky huschte in die Küche, zerrte sich die Schürze über den Kopf und hängte sie an einen Haken hinter der Tür. »Du magst bestimmt einen Tee, oder?«
    »Danke, Ruby! – Gerne, Becky!« Grace nahm ihre Tasche undsteckte kurz den Kopf in die Küche, während Becky Teewasser aufsetzte. Auf dem mehlbedeckten und mit Teigwürmchen übersäten Tisch in der Mitte herrschte ein Durcheinander aus geöffneten Papiertüten und Stoffsäckchen, Eierschalen, Schüsseln und allerlei Rührgeräten. In dem überhitzten, äußerst heimelig wirkenden Raum stand dick der köstliche Duft von frischem süßen Gebäck. »Guten Tag, Thelma!«
    »Guten Tag, Miss Norbury!« Auf dem für eine Köchin überraschend hageren, zerfurchten Gesicht unter der weißen Haube erschien ein Strahlen, und sie deutete einen Knicks an. »Sie kommen gerade recht! Die ersten Plätzchen sind fertig zum Probieren!« Mit glücklichem Stolz hielt sie Grace ein Blech perfekt gelungener, sahnig weißer und zart angebräunter Makronen hin, bevor sie es auf dem Herd absetzte.
    »Das Angebot nehme ich nur zu gern an«, erwiderte Grace. »Oh, Thelma, ich war so frei, Ben anzubieten, er könnte sich nachher hier bei Ihnen mit einer Tasse Tee wieder aufwärmen, sobald er die Bestellungen für meine Mutter abgeholt hat. Ich hoffe, das kommt Ihnen nicht ungelegen.«
    »Nein, ganz und gar nicht«, antwortete die Köchin, während sie mit einem Geschirrtuch als Schutz gegen die Hitze die Klappe des Backofens öffnete und hineinspähte. »Ben ist mir immer willkommen, und für ihn haben wir bestimmt auch ein oder zwei Makronen oder Lebkuchen übrig! Die gute Bertha haben Sie nicht zufällig auch mitgebracht?«
    »Bertha hat sich für unabkömmlich erklärt; sie ist nämlich ebenfalls mit der Weihnachtsbäckerei beschäftigt!«
    »Tja-ha«, machte Thelma kampfeslustig. »Dann wollen wir doch mal sehen, wessen Makronen Ben besser schmecken – Berthas oder meine!« Sie zwinkerte Grace zu, und die zwinkerte zurück. In dieser Zeit der Ungewissheit war es das dichte Geflecht der Menschen, die ihr von Kindesbeinen an voller Wärme zugetan gewesen waren, das ihr Halt und Geborgenheit gab.
    »Danke, Thelma, sehr lieb von Ihnen!«
    Grace folgte Becky durch den dunklen, niedrigen Flur. Becky warf immer wieder einen Seitenblick auf die Reisetasche, verlor jedoch kein Wort darüber.
    »Setz dich doch«, sagte Becky, als sie in die Stube des Pfarrhauses traten, wo im Kamin ein munteres Feuer brannte. Aus dem Büfettschrank holte sie das gute Teegeschirr und stellte es auf den Tisch. Der runde Tisch unter der blassblauen Decke, die vier massiven Stühle und mehrere schwere, altmodisch verschnörkelte Schränke ließen den kleinen Raum überladen wirken. Die engen Fensterchen wurden von dicken Plüschportieren in einem verschossenen Kupferbraun bedrängt, und überall auf der verblichenen Blümchentapete hingen Kupferstiche mit Szenen aus der Bibel, gerahmte Bibelverse und fromme Lebensweisheiten, entweder in gedruckter Fassung oder aber zu Lebzeiten von Beckys Mutter auf Leinen gestickt.
    »Hab vielen Dank, Ruby.« Das Dienstmädchen stellte das Tablett mit der Teekanne und einer Schale Makronen, Lebkuchen und Ingwerkeksen auf den Tisch und machte einen Knicks, bevor es

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