Jenseits des Nils: Roman (German Edition)
Kontrakt für eine Stelle als Lehrerin am Bedford ab dem kommenden Trimester«, erklärte Ada, während sie sich auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch zurechtsetzte.
»Das sehe ich«, knurrte der Colonel und blätterte das Dokument weiter durch, legte es dann beiseite. »Ich dachte, meine Haltung zu dieser Grille von dir hätte ich unmissverständlich deutlich gemacht.«
Ada setzte sich kerzengerade auf. »Ich möchte diese Stelle nicht antreten, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten, Papa. Am Bedford kann ich Kost und Logis frei haben. Ich würde nur einen kleinen Betrag des Salärs für mich selbst behalten, damit ich Mama und dir nicht auf der Tasche liegen muss, wenn ich ein neues Kleid brauche oder wenn ich ins Konzert möchte. Den größeren Teil würde ich gern für einen guten Zweck spenden. Ich möchte am Bedford unterrichten, um eine Lebensaufgabe zu haben. Du hast gewiss Verständnis dafür, dass ich auf absehbare Zeit keinen Gedanken an eine Ehe verschwenden kann und will.«
Der Colonel lehnte sich zurück und musterte seine Tochter eindringlich, doch die hielt seinem Blick tapfer stand. Er nahm den Vertrag und ließ ihn sogleich wieder auf den Tisch zurückfallen. »Weiß deine Mutter hiervon?«
»Ja, aber ich brauche deine Unterschrift.« Ada holte tief Luft. »Wenn du deine Zustimmung gibst, verspreche ich dir, mich vom Leben nie wieder derart in die Knie zwingen zu lassen wie in den letzten Monaten.«
Die Augen des Colonels wurden kühl und gletscherglatt. »Falls du versuchen willst, mich zu erpressen, mein liebes Kind, dann –«
»Nein, Papa.« Ada ließ sich nicht einschüchtern. »Ich finde, das wäre eine Abmachung, mit der wir beide gut leben könnten. Am Bedford zu unterrichten wird mir guttun, und das ist doch ganz gewiss auch in deinem Sinne.«
Der Colonel fühlte sich überlistet, auf beschämende Weise mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Als ob er sich plötzlich schachmatt gesetzt sähe, nachdem er die Partie lange in vollster Konzentration durchgehalten und jeden seiner Züge genauestens durchdacht hatte. Verweigerte er Ada die Erlaubnis, gäbe er sich damit nicht nur äußerst wankelmütig, nachgerade wortbrüchig, sondern fegte gleichzeitig auch all die Werte fort, nach denen er sie erzogen und die er ihr für ihren Lebensweg mitgegeben hatte. Und was für ein Vater wäre er denn, wünschte er sich nicht, dass es seiner Tochter gut ging?
Ohne ein weiteres Wort griff er zu seinem Füllfederhalter, blätterte den Kontrakt auf der letzten Seite auf und unterzeichnete ihn, bevor er ihn Ada zurückgab, die ihn ebenso wortlos entgegennahm und sorgfältig in ihre Mappe steckte.
»Danke, Papa«, sagte sie endlich, während sie aufstand. »Vielen Dank.«
Es versetzte ihm einen Stich, dass sie ihm zwar ein kleines Lächeln schenkte, ehe sie sein Arbeitszimmer verließ, ihm aber keinen Kuss auf die Wange gab.
Und während Ada die Treppen zu ihrem Zimmer hinaufstieg, um den unterschriebenen Vertrag in einen Umschlag zu stecken und dann ans Bedford zu schicken, die ersten Sachen zusammensuchte, die sie mitnehmen wollte, mitnehmen in ihr neues Leben als Lehrerin, sann Colonel Norbury darüber nach, wann sein kleines Mädchen erwachsen geworden war. Mit dem Tod von Simon Digby-Jones? Danach? Oder schon davor?
Ada, die immer aus großen Augen ängstlich in die Welt hinausgeschaut und die eine Hand gebraucht hatte, an der sie sich festhalten konnte. Die äußerlich immer noch so zart und mädchenhaft wirkte, ihrer verstorbenen Großmutter wie aus dem Gesicht geschnitten, und die ihm vorhin doch so entschlossen und mutig gegenübergesessen hatte. Fast wie Grace.
Grace . Die immer so vernünftig gewesen war und die sich nun einfach aus dem Haus gestohlen hatte und ihre Familie seither ohne Nachricht ließ, wo sie sich gerade aufhielt und wie es ihr ging. In seinem ganzen Leben hatte er sich noch nie von einem Menschen so verraten gefühlt wie von seiner Ältesten, auf die er immer so große Stücke gehalten hatte, und gegen den aufwallenden Zorn dieser Enttäuschung fielen die Sorgen, die er sich um sie machte, kaum mehr ins Gewicht.
Bald würde nur noch Stephen hier im Haus sein. In einer Flucht ebenerdig gelegener Zimmer im hinteren Teil des Hauses, die gerade unter viel Gehämmer und Geklopfe und Gelärme für seine Bedürfnisse umgebaut und renoviert wurden, damit er und Becky Peckham rechtzeitig nach ihrer Hochzeit dort einziehen könnten. Und während Stephen seine Zeit zwischen der
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