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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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war.
    Ein Gefühl der Übelkeit durchzuckte ihn für die Dauer eines Herzschlags. Unwillkürlich griff Kjoren nach dem Metallring um seinen Hals, der ihn als einen seiner Art kennzeichnete. Er war kein Valane , und doch kämpfte er mit jenen, die seine Feinde hätten sein sollen, Seite an Seite.
    Einer der Soldaten hatte einen fliegenden Firunen vom Himmel geschossen. Kjoren beneidete den Schützen nicht für seine Glanztat. Und jetzt war er zum ersten Mal froh, dass er sein Gewehr im Schlamm verloren hatte. Mit einem Mal verließ ihn auch noch das letzte bisschen Motivation. Am liebsten hätte er sich zurückgezogen und die Firunen sich selbst überlassen.
    In dem Knäuel aus kämpfenden Leibern war Hauptmann Lenry nirgends zu sehen, und es machte nicht den Eindruck, als würde er alsbald zum Rückzug auffordern. Kjoren verharrte noch immer hinter einem Baumstamm, denn er war des Kämpfens überdrüssig. Er hatte lange genug in der Armee gedient, um zu wissen, wie gnadenlos die Valanen gegen Aufständische und Wilde in den Grenzlanden vorgingen. Blieb nur noch die Hoffnung, dass die Firunen des Dorfes so schlau waren, recht bald zu kapitulieren.
    Kjoren wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und umklammerte den Griff des Schwertes fester. Blut tropfte von der Klinge. Er schwankte. Seine Kräfte verließen ihn. Langsam bezweifelte er, dass er heute mit dem Leben davonkommen würde. Etwas blitzte auf. Sofort war er wieder hellwach. Sein Blick traf den eines Firunen , der etwas abseits vom Kampfgetümmel neben einem knorrigen Baum stand. Kjoren wusste nicht, ob der Firune sich dadurch provoziert fühlte, dass Kjoren ihm in die Augen sah, aber irgendetwas hatte ihn dazu veranlasst, auf ihn zuzukommen. Kjoren wappnete sich für einen erneuten Kampf, sein Gegner aber blieb unvermutet stehen. Das Schwert des Firunen baumelte lässig neben seinen Beinen, er hielt es locker in der Hand. Die hellbraunen Haare klebten an seiner Stirn, sein Gesicht war mit Dreck und Blut verkrustet. Die blauen Augen funkelten zornig.
    Kjoren erkannte die Narben und Einkerbungen am Hals, wo seinem Gegenüber einmal das eiserne Halsband eines Firunen ins Fleisch geschnitten haben musste. Kjorens eigenes Halsband lastete plötzlich schwer auf seinen Schlüsselbeinen. Er schluckte. Die Zweifel und Schuldgefühle, die an Kjoren seit seinem Eintritt in die Armee nagten, drängten mit aller Macht an die Oberfläche.
    Er hieß sein Gewissen schweigen und umfasste den Griff seines Schwertes mit beiden Händen. Der Firune harrte weiterhin aus, schickte sich nicht an, die Herausforderung zum Kampf anzunehmen und das Schwert zu heben. Kjoren kam sich mit jeder Sekunde mehr und mehr wie ein Feigling vor. Der Augenblick, in dem er hätte handeln müssen, war längst verstrichen. Feige Stille erfüllte ihn, während der Kampflärm in der Luft hing, dabei hatte sich Kjoren immer für besonders mutig gehalten. Zahllose Gegner hatte er erschossen, erschlagen oder erstochen. Trotzdem rührte er sich jetzt nicht. Entweder hatte der Firune darauf spekuliert, oder er war lebensmüde. Wie dem auch sei, Kjoren durfte ihn nicht laufen lassen. Es bestand die Möglichkeit, dass jemand beobachtete, wie er an einem dummen Bauern scheiterte.
    »Töte mich«, sagte der Dörfler in einem Tonfall, der Kjoren das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Oder bist du zu feige, um deinesgleichen zu töten?« Er spuckte vor Kjoren aus. »Du bist ein dreckiger Verräter. Ich weiß, dass der Kampf für uns längst verloren ist. Aber eher sterbe ich, ehe ich deinem Beispiel folge.«
    Seine Worte fielen auf fruchtbaren Boden und schlugen bittere Wurzeln, doch Kjoren rang seine aufkeimende Unsicherheit nieder. Seine verschwitzten Hände verstärkten den Griff um das Schwertheft. Er war eine Maschine, die funktionierte. Er tat, was sein Offizier ihm befahl. Er gestattete sich nicht, darüber nachzudenken, ob es gerecht war oder nicht. Denn das war es ohnehin nicht. Nur noch ein paar Jahre, dann hätte er seine Strafe verbüßt und konnte nach Hause zurückkehren … Bis dahin hatte er sich geschworen, den Geist und den Verstand vor dem zu verschließen, was man von ihm verlangte. Aber in Momenten wie diesem gelang es ihm nicht immer.
    Kjoren atmete tief durch und setzte an, mit der Klinge auszuholen, als ihn ein Schuss aus nächster Nähe zusammenzucken ließ. Der Firune brach wie ein nasser Sack zusammen. Einen Moment lang betrachtete Kjoren den erschlafften

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