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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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Weißer kannte er Boden und Jahreszeiten, Pflanzenwuchs und wildes Getier, Winde und Gerüche. Er hatte jeden Wechsel der Witterung beobachtet, die Menschen, die Wolken und die Sterne bei Nacht. Hier oben in den Bergen hatte ich ihn selbst erst jüngst stehen sehen, barhäuptig in der Nachmittagssonne, den Blick hinaus ins Land gerichtet, mit dem Feldstecher am Auge es aufs genaueste durchforschend. Er hatte das Land in sich aufgenommen, und in seinem Auge und in seinem Geist hatte sich’s verwandelt, war von seinem Wesen geprägt und ein Teil von ihm geworden. Nun nahm ihn Afrika auf, ihn zu verwandeln und mit sich zu vereinen.
    Der Bischof von Nairobi, sagte man mir, hatte nicht kommen wollen, da die Zeit nicht gereicht hätte, die Grabstätte zu weihen; aber ein anderer Priester war zugegen und las das Totenamt, das ich noch nie gehört hatte; in dem weiten Raum klang seine Stimme fein und hell wie die Stimme eines Vogels in den Bergen. Ich glaube, Denys hätte es wohl gefallen, dachte ich, als alles vorüber war. Der Priester sprach den Psalm: »Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen.«
    Gustav Mohr und ich blieben noch eine Weile sitzen, nachdem die Weißen alle gegangen waren. Die Mohammedaner warteten, bis wir aufbrachen, dann traten sie herzu, um am Grabe zu beten.
    In den Tagen von Denys’ Tode kamen seine Safarigefährten hervor und sammelten sich bei der Farm. Sie sagten nicht, warum sie kamen, und stellten keine Frage, sie setzten sich mit dem Rücken an die Hauswand und blieben meist stumm, entgegen der sonstigen Gewohnheit der Schwarzen. Malimu und Saa Sita kamen, Denys’ verwegene, listige, furchtlose Jäger und Spürhunde, die Gefährten all seiner Safaris. Sie waren mit dem Prinzen von Wales draußen gewesen, und der Prinz wußte noch nach Jahren ihre Namen und sagte, mit den beiden zusammen könnte es nicht leicht einer aufnehmen. Nun hatten die großen Spürer die Spur verloren und saßen reglos da. Auch Kamithia kam, sein Wagenführer, der viele tausend Meilen durch weglose Wildnis mit ihm gefahren war, ein schmächtiger junger Kikuju mit den wachsamen Augen eines Affen; nun saß er da am Hause wie ein trauriges, frierendes Affchen im Käfig.
    Bilea Isa, Denys’ Somalidiener, kam von Naivascha auf die Farm. Bilea war zweimal mit Denys in England gewesen, hatte dort die Schule besucht und sprach Englisch wie ein Kavalier. Vor einigen Jahren hatten Denys und ich Bileas Hochzeit in Nairobi mitgemacht; das war ein prächtiges Fest, das sieben Tage dauerte. Bei dieser Feier war der studierte Weltreisende zu den Bräuchen seiner Väter zurückgekehrt; er war mit einem goldenen Gewande angetan und beugte sich nieder zur Erde, als er uns begrüßte, und tanzte den Schwerttanz, berauscht vom unbändigen Geist der Wüste. Bilea war gekommen, um das Grab seines Herrn zu sehen und darauf zu sitzen; als er wieder herunterkam, sprach er kaum; nach einer Weile setzte er sich zu den anderen mit dem Rücken an die Wand, die Handflächen auf den Boden gelegt. Farah ging hinaus, stellte sich dazu und sprach mit den Trauernden. Er war selber sehr bedrückt. »Es wäre nicht so schlimm«, sagte er zu mir, »daß du aus dem Lande gehst, wenn nur Bedâr noch da wäre.«
    Denys’ Boys blieben etwa eine Woche; dann zog einer nach dem anderen wieder ab.
    Ich fuhr oft zu Denys’ Grab hinaus. In der Luftlinie war es kaum mehr als fünf Meilen von meinem Haus entfernt, aber den Windungen der Straße nach waren es fünfzehn. Das Grab lag an vierhundert Meter höher als mein Haus, die Luft war anders hier, durchsichtig wie ein Glas mit Wasser; weiche, milde Winde spielten einem ums Gesicht; über die Gipfel der Berge kamen von Osten die Wolken gewandert, strichen mit ihren Schatten über das wellige Land und zergingen über dem Rifttal.
    Ich kaufte in der Duka ein Stück weißen Stoff, den die Schwarzen Amerikano nennen, und Farah und ich rammten drei hohe Stangen hinter dem Grab in die Erde und nagelten den Stoff daran; so konnte ich von meinem Hause aus die Stelle des Grabes genau erkennen wie einen weißen Punkt im Grün der Berge.
    Viel Regen fiel in diesem Jahr; ich fürchtete, das Gras möchte aufschießen und das Grab so zudecken, daß die Stelle nicht mehr zu finden wäre. Darum holten wir all die weißgetünchten Steine an meinem Wege zusammen – dieselben, die Karomenya mit soviel Mühe an die Haustür geschleppt hatte –, luden sie auf meinen Kastenwagen und fuhren sie hinauf ins Gebirge. Wir schnitten rings

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