Jenseits von Afrika
nach dem Tode eines Menschen werden sie vielleicht aufrichtiger anerkannt als zu anderen Zeiten.
Die Schwarzen kannten Denys besser als seine Landsleute, für sie war sein Tod ein schwerer Schlag.
Als ich die Nachricht von Denys’ Tod erhielt, versuchte ich, von Nairobi nach Voi zu gelangen. Die Luftfahrtgesellschaft schickte Tom Black aus, um sich über den Unfall berichten zu lassen, und ich fuhr zum Flugplatz, um zu bitten, daß er mich mitnähme. Aber als ich den Flugplatz erreichte, hob sich seine Maschine eben vom Boden und segelte nach Voi davon.
Es hätte immer noch gelingen können, mit dem Wagen nach Voi zu kommen, aber die große Regenzeit war im Gange, und ich mußte erkunden, in welchem Zustand die Straßen waren. Während ich saß und auf Nachricht über die Straßen wartete, fiel mir ein, daß Denys mir gesagt hatte, er wünsche in den Ngongbergen begraben zu werden. Es war merkwürdig, daß ich nicht eher daran gedacht hatte, aber der Gedanke, daß man ihn überhaupt je würde begraben müssen, lag mir zu fern. Nun stand er vor mir, als hätte mir jemand ein Bild hingehalten.
Es gab eine Stelle im Gebirge auf der ersten Anhöhe im Wildreservat, die ich zu Zeiten, da ich gemeint hatte, ich würde in Afrika leben und sterben, selber Denys als meine Begräbnisstätte bezeichnet hatte. Abends, als wir vor dem Hause sitzend die Berge betrachteten, sagte er, dann wolle er gern auch dort begraben liegen. Nochmals, wenn wir ins Gebirge hinausfuhren, sagte Denys zuweilen: »Komm, wir fahren bis zu unseren Gräbern.« Einmal kampierten wir im Gebirge, um Büffel auszuspüren, und gingen nachmittags an den Hang hinüber, um ihn uns näher anzuschauen. Man hatte von da einen unermeßlich weiten Blick, im Schein der Abendsonne sahen wir den Kenia und den Kilimandscharo. Denys verzehrte, im Grase liegend, eine Orange und sagte, das wäre ein Ruheplatz nach seinem Herzen. Meine eigene Grabstelle lag etwas höher. Von beiden Punkten aus sah man fern im Osten im Walde mein Haus liegen. Dahin würden wir morgen wieder heimkehren, für immer, dachte ich – nicht achtend der weitverbreiteten Ansicht, daß alles sterben muß.
Gustav Mohr war, als er von Denys’ Tod hörte, von seiner Farm zu mir nach Hause gefahren; als er mich nicht antraf, hatte er mich in Nairobi ausfindig gemacht. Bald darauf kam Hugh Martin und setzte sich zu uns. Ich erzählte ihnen von Denys’ Wunsch und von der Grabstätte im Gebirge, und sie telegraphierten nach Voi. Bevor ich zur Farm zurückfuhr, ließen sie mich wissen, Denys’ Leiche werde am nächsten Morgen mit der Bahn eintreffen, so daß die Beerdigung in den Bergen am Mittag stattfinden könne. Ich sollte bis dahin sein Grab herrichten.
Gustav Mohr kam mit mir auf die Farm, um dort zu übernachten und mir morgens zu helfen. Wir mußten vor Sonnenaufgang in den Bergen sein, um den Platz zu bestimmen und das Grab rechtzeitig ausschaufeln zu lassen.
Es goß die ganze Nacht, und ein feiner Rieselregen fiel herab, als wir in der Frühe aufbrachen. Die Radspuren auf den Straßen waren voll Wasser. Als wir in die Berge hinaufkamen, war es, als führen wir in ein Gewölk. Wir sahen weder zur Linken die Ebene unter uns noch zur Rechten die Hänge und Gipfel der Berge; die Boys, die uns im Lastauto folgten, waren auf zehn Schritte nicht mehr zu sehen, und der Nebel wurde immer dichter, je höher der Weg anstieg. An dem Schild an der Straße konnten wir erkennen, daß wir das Wildreservat erreicht hatten, wir fuhren noch einige hundert Meter weiter und stiegen aus. Der Lastwagen und die Boys sollten auf der Chaussee warten, bis wir die richtige Stelle gefunden hätten. Die Morgenluft war so kalt, daß die Finger schmerzten.
Der Platz für das Grab durfte nicht zu weit von der Straße abliegen und der Abhang nicht so steil sein, daß man nicht mit dem Lastwagen heranfahren konnte. Wir gingen eine Zeitlang zusammen und sprachen vom Nebel, dann trennten wir uns und verfolgten zwei verschiedene Fußpfade; nach ein paar Sekunden konnten wir einander nicht mehr sehen.
Die große Berglandschaft, die mich umfing, öffnete sich widerwillig und schloß sich wieder; es war ein Tag, wie Regentage im Norden sind. Farah begleitete mich; er fürchtete, wir könnten in eine Büffelherde geraten. Die nächsten Gegenstände, die plötzlich vor unseren Augen auf tauchten, erschienen riesenhaft verzerrt. Das Laub der grauen, wilden Olivenbüsche und das lange Gras, das über unsere Köpfe ragte, waren
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