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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Südafrika fliegen? Zwar hatten ihre Eltern dort gewohnt, an der Ostküste in Zululand, rund zwanzig Jahre lang, aber das war sehr lange her. Sie rechnete nach. Etwa 1972 oder 73 waren sie nach Deutschland zurückgekehrt, fünf oder sechs Jahre vor ihrer Geburt. So genau hatte sie das nie erfahren, und sie hatte sich auch nie darum gekümmert. Es hatte nichts mit ihrem Leben zu tun.
    Die letzten Schnipsel der duftenden Blüte schwebten zu Boden. Sie wischte ihre Hand an ihren Leinenhosen ab und ging zurück ins Haus. Wenn es ihrer Mutter besser ging, würde sie ihr das wohl erklären können. Es war an der Zeit, dass sie alles erfuhr, und sie würde nicht lockerlassen, ehe sie jede Einzelheit kannte. Nur wovon, davon hatte sie keine Ahnung, und das war wie ein juckender Pickel.
    Am nächsten Morgen bestellte sie ein Taxi, rief im Krankenhaus an, um sicherzustellen, dass ihre Mutter reisefertig war, und fuhr mit allem Gepäck zum Krankenhaus.
    Man hatte die Kranke bereits in einen Warteraum im Erdgeschoss gebracht. Apathisch saß Anna-Dora Carvalho im Rollstuhl, apathisch hing sie in ihrem Sitz an Bord der Chartermaschine, apathisch ließ sie es geschehen, dass Anita ihr den Sicherheitsgurt anlegte. Sie verweigerte Essen und Trinken, schlief nicht, schien überhaupt nicht wahrzunehmen, was um sie herum vorging. Anita saß neben ihr und hielt den gesamten Flug über ihre Hand. Sie war kalt und trocken und völlig reglos. Als wäre ihre Mutter bereits tot.
    In Hamburg wartete ein Flughafenangestellter mit einem Rollstuhl auf Anna-Dora Carvalho und schob sie bis zum Ausgang des Flughafengebäudes. Anita rief ein Taxi heran, bugsierte ihre Mutter gemeinsam mit dem Fahrer auf den Beifahrersitz und schnallte sie fest, während er schon die Koffer einlud. Sie
gab ihre eigene Adresse an, ihre Mutter konnte schließlich unmöglich allein in ihrer Wohnung in Travemünde bleiben, und ins Krankenhaus wollte sie sie nicht bringen. Der Mutter einer Freundin hatte man im Krankenhaus schwere Beruhigungsmittel gegeben, worauf die alte Dame bei dem nächtlichen Unterfangen, die Toilette rechtzeitig zu erreichen, gestürzt war, sich verletzte, operiert werden musste und danach völlig verwirrt in einem Pflegeheim endete. Diesen Horrortrip wollte sie ihrer Mutter ersparen. Und sich auch.
    Der Taxifahrer und sie brachten sie nach oben. Anna-Dora Carvalho kam so weit zu sich, dass sie, nur gestützt von Anita, die kurze Strecke von der Tür zum Gästezimmer bewältigen konnte. Anita bezahlte den Fahrer, gab ihm ein großzügiges Trinkgeld und telefonierte anschließend mit ihrem Hausarzt, der seinen Besuch noch für denselben Abend zusagte. Sie hievte das Gepäck ihrer Mutter ins Gästezimmer und bezog das Bett. Anna-Dora Carvalho setzte sich auf die Bettkante und ließ sich von Anita ausziehen. Plötzlich warf sie ihrer Tochter die Arme um den Hals.
    Â»Es tut mir leid … es tut mir so furchtbar leid …«, stammelte sie und drehte sich, ihre Hände vor den Mund gepresst, zur Wand. Alle Versuche Anitas, mit ihr zu reden, prallten an ihrem abgewandten Rücken ab. Anita bemühte sich, sie dazu zu bewegen, sich hinzulegen, aber Anna-Dora Carvalho blieb störrisch sitzen. Mit einem Seufzer stand Anita auf, um ihr eigenes Bett fertig zu machen. Ihre Mutter würde sicherlich irgendwann müde werden und sich von allein hinlegen.
    Anitas eigene Koffer standen noch in der Diele. Sie ließ sie stehen und öffnete die Tür zu ihrem Schlafzimmer. Zu Franks und ihrem Schlafzimmer. Als ihr Blick auf das Doppelbett fiel, das sie zusammen mit ihm erst eine Woche zuvor gekauft hatte, wurde ihr so plötzlich übel, dass sie es kaum ins Badezimmer schaffte.

    Nur mit größter Selbstbeherrschung konnte sie sich dazu zwingen, die Bettwäsche abzuziehen. Es gelang ihr, bis der Duft von Franks Rasierwasser ihr ganz schwach aus seinem Kopfkissen in die Nase stieg und einen Weinkrampf auslöste. Sie rutschte auf den Boden, schlang sich die Arme um den Leib und schrie, als würde ihr jemand ein Messer ins Herz stoßen.
    Irgendwann war der Anfall vorüber. Restlos ausgelaugt und so schwach, als wäre sie schwer krank, öffnete sie das Fenster, um Franks Geruch zu vertreiben, und wechselte die Bettwäsche. Ihr war längst klar, dass sie in diesem Bett nicht würde schlafen können. Nach kurzer Überlegung ging sie ins

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