Jerry Cotton - 0505 - Flirt mit dem Verderben
Besprechungszimmer darauf, wie es weiterging. Die Wartezeit vertrieben wir uns mit Mutmaßungen, was wohl passiert sein könnte.
Es dauerte rund 20 Minuten.
Der Chef kam. Er hielt einen Brief — der inzwischen in eine Zellglasfolie gepackt worden war — in der Hand.
»Das ist der Eilbotenbrief, der soeben kam«, sagte Mr. High, noch bevor er seinen Platz erreicht hatte. »Sie werden mein etwas merkwürdiges Verhalten verstehen, wenn ich Ihnen sage, daß der Absender dieses Briefes ein gewisser Alfredo Alvarez ist. Der Absender steht auf der Rückseite des Briefumschlages. Deshalb habe ich mir erlaubt, den Brief zuerst unseren Sprengstoffsachverständigen zur Untersuchung zu geben, bevor ich ihn öffnete. Außerdem war ich in der Printabteilung. Wir haben auf dem Brief insgesamt sechs verschiedene Gruppen von Fingerabdrücken gefunden. Drei davon sind bekannt. Aber eine dieser drei Gruppen werden wir vermutlich schnell identifizieren können. Ich glaube, daß sie vom Postboten stammen.«
»Wieviel sind bekannt?« fragte ich noch einmal.
Mr. High lächelte ganz kurz. »Drei. Ich habe aber nur zwei Namen genannt. Die dritte Gruppe von Prints, die bekannt ist, stammt von…«
Er machte eine kurze Pause.
»… Phil!« sagte er schließlich.
»Nein!« entfuhr es mir. Die anderen Kollegen waren ebenso überrascht.
»Es tut mir leid, meine Herren, aber dieser Brief beweist, daß unser Kollege Phil Decker sich in den Händen des Verbrechers befindet, der sich Generaldirektor’ Albert Alvarez nennt!«
»Das bedeutet, daß…« fuhr ich wieder hoch.
»Das bedeutet, daß wir zunächst einmal Kidnapping-Alarm haben. Ich habe bereits veranlaßt, daß die vorgeschriebenen Meldungen an die bekannten Dienststellen herausgehen. Was von hier aus zu tun ist, leiten Sie, Jerry. Alvarez will uns erpressen.«
Laut las er den Brief vor, den' Phil unterschrieben hatte.
»Mit Phils Unterschrift?« fragte nach einer kleinen Pause der alte Neville.
»Mit Phils Unterschrift«, nickte Mr. High. »Außerdem hat Phil den Abdruck seines markanten Daumens hinzugefügt. Es gibt keinen Zweifel, daß dieser Brief echt ist.«
»Ich glaube es nicht«, murmelte Neville.
»Ich auch nicht«, fügte Steve Dillaggio hinzu.
Mir schwebte die gleiche Bemerkung auf der Zunge.
Mr. High nahm es mir ab, Stellung nehmen zu müssen. »Meine Herren, bevor Sie sich über Phils ungewöhnliche Bitte die Köpfe zerbrechen, hören Sie bitte meine Meinung. Phil unterschrieb diesen Brief, um überhaupt mit uns Kontakt aufnehmen zu können. Er hat damit den einzigen Weg gewählt, der ihm zur Verfügung stand. An uns liegt es jetzt weiterzukommen.«
Es war, als hätte er ein Stichwort gegeben.
Ein Kollege aus dem Archiv kam herein. Er hielt eine Karteikarte in der Hand. Er und Mr. High steckten die Köpfe zusammen.
Der Kollege ging wieder.
»Der vierte Fingerabdruck ist identifiziert«, sagte Mr. High.
Ich merkte seiner Stimme an, daß er uns keine freudige Mitteilung zu machen hatte, »Es ist der Abdruck, den eine Frau hinterlassen hat. Nach Lage der Abdrücke ist anzunehmen, daß sie den Briefbogen in eine Schreibmaschine einspannte und auch wieder herausnahm. Unter der Annahme, daß dieser Generaldirektor' Alfredo Alvarez tatsächlich existiert, muß angenommen werden, daß diese Frau seine Sekretärin ist. Nach unseren Unterlagen handelt es sich dabei um eine gewisse Mary Gotham. Diese Frau wird von uns seit fast drei Jahren wegen Kidnapping und Mordes, begangen an einem zweijährigen Kind, gesucht.«
***
»Du kannst sagen, was du willst — die Geschichte mit diesem G-man gefällt mir nicht«, sagte die Mörderin Mary Gotham. »Wir kennen alle das FBI. Du weißt genau, daß diese Kerle keine Ruhe geben werden. Du hättest es nicht tun sollen.«
Alfredo Alvarez machte eine wegwerfende Handbewegung. »Hast du Angst?«
»Ja«, sagte sie ehrlich.
Alvarez lachte. »Dich suchen sie jetzt seit fast drei Jahren. Mich suchen sie seit nahezu fünf Jahren. John ist zum Tode verurteilt; er ist aus der Todeszelle ausgebrochen und wird seit vier Jahren gesucht. Jeder einzelne von uns steht mit besonderen Vermerkungen in den Fahndungsblättern. Und was ist uns bis heute passiert?«
»Nichts«, sagte Mary Gotham. »Aber immer kann es nicht gutgehen. Was wird, wenn dieser Sharkey…«
»Sie werden uns Sharkey schicken«, sagte Alvarez siegessicher.
»Und wenn sie es nicht tun?« bohrte sie. »Wenn er plaudert? Wenn er die Telefonnummer verrät?«
»Sie
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