Jerry Cotton - 0520 - Die Lady aus der Rauschgiftbar
und hatte nichts zu tun. Mittags servierte ein Steward ein üppiges Mahl. Danach schleppte er kiloweise Eis und eine Batterie Flaschen an. Es war bei Weitem der angenehmste Teil dieses Falles.
Als der glutrote Ball der Abendsonne im Atlantik versank, änderte die Yerba Buena den Kurs und lief mit dem letzten Tageslicht in einen kleinen Hafen ein. Die Anker fielen. Cloud erschien an Deck und sah sich um.
»Das ist Hotviche Village«, sagte er. »Wir bleiben hier über Nacht. Morgen früh fahren wir durch einen Kanal zu einem See. Waren Sie schon einmal in dieser Gegend, Dayton?«
Ich nickte.
»Ich kenne den Kanal. Er führt zwanzig Meilen weit ins Landesinnere und verbindet den Hotviche-See mit dem Meer. Der See ist ziemlich groß. Liegt dort nicht auch eine Insel?«
»Ja, die Insel-Yerba Buena. Nach ihr heißt die Jacht. Die Insel gehört nämlich mir. Früher befand sich dort eine Missionsstation. Ich habe ein großes Haus gebaut. Ich versammle dort regelmäßig meine Leute.«
»Ist denn eine Konferenz angesetzt?«, fragte ich.
Er nickte.
»Sie beginnt übermorgen. Sie brauchen nichts zu tun, als dabei zu sein. Auf diese Weise lernen Sie den Betrieb am schnellsten kennen. Es werden sämtliche Unterführer da sein - mit Ausnahme von Perkins natürlich.«
»Was ist denn so Wichtiges los?«
»Nichts Besonderes«, sagte er. »Ich setzte ein solches Treffen in regelmäßigen Abständen an. Auf diese Weise behalte ich den Überblick. Ich fahre jetzt schon mit dem Wagen vor. Sie bleiben auf dem Schiff, Dayton. Wir sehen uns morgen in Yerba Buena.«
»Aye, aye, Sir«, nickte ich.
Ich lehnte mich an die Reling und beobachtete, wie er an Bord des Beibootes ging. Der Motor sprang an. In wenigen Minuten hatte er die Kaimauer erreicht, wo sein schwarzer Cadillac bereits wartete. Das Boot wendete und kam zurück. Der Cadillac startete und fuhr davon.
Nachdenklich sah ich zu, wie der stiernackige Bootsführer das Boot festmachte und an Bord kam. Wie alle Mitglieder der Besatzung - insgesamt drei Mann - machte er einen schweigsamen und unfreundlichen Eindruck.
Den ganzen Tag schon zerbrach ich mir den Kopf über die Frage, wo Cloud seine Buchführung hatte. Wenn ich das herausgefunden hatte, war der Fall gelöst. Dann brauchten wir nur noch zuzuschlagen. Aber bisher hatte er mir keinen Anhaltspunkt gegeben, und ich wollte ihn auch nicht fragen. Das hätte ihn nur unnötig misstrauisch gemacht.
Ob sie auf der Insel Yerba Buena war? Bestimmt brauchte Cloud seine Bücher, wenn er die Konferenz mit seinen Unterführern abhielt. Aber die Bücher in Yerba Buena aufzubewahren, das war zu riskant. Dass ihm die Insel gehörte, konnte sich nur zu leicht herumsprechen, und dann genügte eine Hausdurchsuchung. Nein, der Platz schied aus denselben Gründen aus wie sein Landhaus. Cloud musste die Bücher ständig in seiner Nähe haben…
Blitzartig durchzuckte es mich. Die Jacht! Dass noch niemand darauf gekommen war. Groß genug war sie, um auch eine umfangreiche Buchführung unterzubringen. Das Schiff war fast zwanzig Meter lang. Und es bot in jeder Weise Vorteile. Er hatte die Bücher ständig in seiner Nähe, an einem Ort, von dem niemand dies vermutete. Sie waren leicht zu bewachen und im Notfall auch zu vernichten.
Ich entschloss mich, diese Theorie sofort zu überprüfen.
Ich wartete, bis die Besatzung schlafen gegangen war. Dann verließ ich meine Kabine. Ich trug Turnschuhe. Lautlos bewegte ich mich über den Niedergang. Der Strahl meiner kleinen, in einem Kugelschreiber eingebauten Taschenlampe huschte über die Wände.
Ich gelangte bis zu einer Stahltür, die mit einem Sicherheitsschloss versperrt war. Es kostete mich zwanzig Minuten harte Arbeit, bis ich das Schloss geöffnet hatte.
Lautlos schwang die gut geölte Tür auf und gab den Blick auf einen Gang frei, an dessen Ende eine weitere Stahltür war. Hier blieb ich einen Augenblick ratlos stehen. Die Tür war ohne Schloss, hatte nur eine blanke, polierte Fläche. Ich befand mich jetzt im Bodenraum der Jacht, unterhalb der Wasserlinie und genau unter Clouds Kabine.
Suchend sah ich mich um. Es musste einen Trick geben, mit dem die Tür geöffnet wurde. Ob es über Funksteuerung ging? Sofort verwarf ich den Gedanken wieder. Die Gefahr technischer Pannen war dabei zu groß. Was kam noch in Frage? Akustische Zeichen? Ich dachte an die Tore, die mit hochfrequenten Tönen gesteuert wurden. Aber auch das Verfahren hatte seine Tücken. Allein das Rasseln der Ankerkette
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