Jerry Cotton - 0550 - Der Unheimliche
gekommen?«
Der Mann blickte auf. Er mochte ungefähr dreißig Jahre alt sein und war sehr gut gekleidet. Sein Gesicht war tiefbraun. Über dem schmallippigen Mund sproßte ein dunkles Menjou-Bärtchen.
Phil zweifelte keinen Augenblick daran, daß er den Mann vor sich sah, der ihn vom Hügel aus beobachtet hatte. Wenn sich der Fremde auch Mühe gab, das plötzliche Auftreten Phils mit Gleichmut zu tragen, so verriet ihn doch das angespannte Gesicht. So betrachtet man nicht einen Fremden, der einem höchst gleichgültig sein kann.
»Der Wirt muß gleich zurückkommen«, antwortete der Mann höflich. Er drückte seine Zigarette aus und machte Anstalten, das Feld zu räumen. Das wiederum lag nicht in Phils Interesse. »Haben Sie was dagegen, wenn ich mich einen Augenblick zu Ihnen setze?« fragte er daher plump vertraulich. Ohne die Antwort des anderen abzuwarten, ging er zu dessen Tisch hinüber und nahm sich einen Stuhl.
Im selben Moment erschien der Wirt. »Ein Bier!« rief Phil zu ihm hinüber. »Oder bringen Sie zwei!« Er wandte sich an den Fremden. »Sie trinken doch sicher noch eins mit. Zu zweit rutscht es besser.«
Der Fremde erhob keinen Einwand, obwohl man ihm deutlich anmerkte, daß es ihm unangenehm war.
Phil nutzte die Gelegenheit und begann noch vertraulicher zu werden. »Bin die ganze Nacht unterwegs gewesen«, berichtete er. »Eine verdammte Geschichte. Da ist doch in der letzten Nacht hier in der Gegend ein Zug aufgehalten worden. Ich sollte mich mal ein bißchen umsehen. War vorhin drüben am Bahndamm. Aber natürlich war nichts.«
Der andere wurde munter. Er schien Phil für den zu halten, für den Phil gehalten werden wollte: für ein angeberisches Großmaul, dem ein besonderer Job die Zunge löste.
»Sind Sie von der Polizei?« fragte der Fremde.
»Nicht gerade«, gab Phil bescheiden zur Antwort, um den anderen zu weiteren Fragen zu animieren.
»FBI?«
Phil tat furchtbar erschrocken. »Woher wissen Sie das? Sieht man mir das an?«
Nun mußte der andere sicher sein, daß er in Phil ein ausgesprochenes Greenhorn vor sich hatte. Seine Miene wurde freundlicher und verbindlicher. Auf einmal war er es, der nicht so schnell an Aufbruch dachte.
Der Wirt sorgte ausreichend für Nachschub. Und nach einigen Gläsern, die der Fremde jeweils durch Whiskyeinlagen verstärkte, begann Phil zu lallen. Er gestattete es sogar, daß ihn der Fremde auf das Zimmer brachte, das er, Phil, inzwischen gemietet hatte. Und als sie sich endlich trennten, schieden sie als Freunde.
Nachdem der Mann abgefahren war, wurde Phil sehr schnell munter. Er führte ein Ferngespräch mit Washington. Zehn Minuten später wußte er, wem der hellgraue Ford Mustang gehörte. Es war eine echte Überraschung.
***
Er war klein, dick und rund wie eine Kugel. Und er nannte sich Mac McTire. Ob er wirklich so hieß, wußten nur er und seine Eltern. Aber die waren angeblich schon längst gestorben.
Mac McTire saß am Frühstückstisch und schlug gerade das fünfte Ei in sich hinein. Diese Menge war eine Kleinigkeit für ihn. Er vertilgte auch gern das Doppelte. Doch heute morgen schmeckte es ihm nicht. Ihm lag so einiges im Magen. Gewisse Dokumente zum Beispiel, von denen er wußte, daß sie auf dem Weg nach Washington waren. Und wenn sie dort ankamen… es war nicht auszudenken. Denn diese Dokumente beschäftigten sich vornehmlich mit Mac McTire.
Seine flinken Schweinsaugen glitten prüfend über den Tisch. Doch er konnte nichts entdecken, was einen Wutausbruch gerechtfertigt hätte. Er wollte sich gerade nach seinem riesigen Leibwächter umdrehen, der bewegungslos wie eine Statue neben der Tür stand, als das Telefon klingelte.
McTire griff danach wie ein Ertrinkender. »Mac hier«, sagte er leise. Und nach einer kurzen Pause setzte er hinzu: »Na endlich! Es hat also geklappt!« Sein Gesicht ging auf wie der Mond über der Südsee. »Das ist eine ausgezeichnete Arbeit, Davy. Ich werde mich in New York einige Zeit zurückhalten. Dafür kannst du an den übrigen Plätzen ein bißchen mehr Dampf machen. Wenn alles richtig läuft, sollten wir in diesem Jahr zwei Milliarden ’rausholen.«
Der Teilnehmer am anderen Ende der Leitung schien den Optimismus Mac McTires nicht zu teilen. »Wir müssen vorsichtig sein, sehr vorsichtig sogar, Mac. Solange der Kerl hier nicht weichgekocht ist, können wir nichts unternehmen. Mit den Dokumenten allein ist es nicht getan. Wir wissen zwar, wie der Hase läuft, und können unsere Gegenminen
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