Jerry Cotton - 0557 - Per Express in den Tod
wuchtigen Schlag gegen mein Kinn, daß ich zwei, drei Schritte zurücktaumelte. Ich trat auf einen kleinen Teppich, der in der Diele lag. Der Fetzen rutschte so unglücklich unter meinen Füßen weg, daß ich auf den Rücken fiel. Der Fremde warf sich herum und verschwand wie ein Schatten.
»Hank!« schrie Carmie auf und stürzte sich auf mich, als ich gerade aufspringen wollte. Ich erwischte sie an den Armen und stieß sie zurück. Sie fiel gegen den Garderobenständer. »Rühren Sie sich nicht vom Fleck!« brüllte ich sie an, raste auf den Korridor hinaus und zog die Tür ins Schloß.
Der Mann war verschwunden, aber noch konnte sein Vorsprung nicht groß sein. Der Lift befand sich nicht auf Floor E. Ich stürzte die Treppe hinunter, aber ich stockte jäh, als ich die 4. Etage erreichte. Keine Schritte hallten aus dem Treppenhaus hoch. Statt dessen sah ich, daß die Lichter auf der Skala neben der Lifttür wechselten. Die Kabine kam von unten hoch. Der Fremde versuchte mich auszutricksen. Irgendwer hatte den Lift nach unten geholt, während er zu meinem Apartment ging, und als mein Besucher türmte und den Lift nicht mehr vorfand, rannte er die Treppe hoch. Ich rechnete, daß er den Rufknopf auf der 6. oder 7. Etage gedrückt hatte.
Ich legte den Daumen auf den Knopf von Floor 4, und die Kabine, die von unten hochkam, blieb stehen. Ich öffnete die Tür und legte den roten Nothebel der Innenskala um. Damit war der Fahrstuhl unbenutzbar geworden.
Ich stieg die Treppe hoch, aber ich beeilte mich nicht einmal besonders. Jetzt hörte ich die Schritte des Mannes. Er hatte gemerkt, daß der Lift nicht mehr funktionierte, und er wich vor mir weiter nach oben zurück. Ich drückte auf das Tempo, und jetzt begann er zu rennen.
Ich denke, daß ich besser in Form war als er. Ich rückte ihm so nahe, daß ich sein Keuchen hören konnte. Auf der 11. Etage rannten wir an einem Mann vorbei, der wütend die Tastatur des Fahrstuhles bearbeitete und erst dem Fremden, dann mir mit offenem Mund nachstarrte.
Die nächste Etage war die letzte. Nur noch ein Treppenlauf trennte uns. »Gib auf!« rief ich. Der andere wandte mir über die Schulter das Gesicht zu. Er sah entsetzlich erschöpft aus. Auch mein Herz hämmerte in harten Schlägen gegen die Rippen.
Der Dunkelblonde blieb stehen. Mit einer Hand krallte er sich am Geländer fest. Ich nahm den letzten Absatz. Der Mann versenkte die rechte Hand in die Tasche seiner Jacke. »Ich kill’ dich!« schrie er mit letztem Atem. Er riß die Hand hoch und ließ mit einem Fingerdruck die breite Klinge eines Fallschirmjägermessers aus dem Griff schnellen. Dann führte er einen pfeifenden Hieb nach mir. Ich mußte mich zurückwerfen. Er wich in einen schmalen, dürftig beleuchteten Korridor zurück, der nicht nach links oder rechts vom Treppenhaus zu den Apartments dieser Etage führte, sondern im spitzen Winkel zu den Räumen, in denen die technischen Einrichtungen untergebracht waren.
Ich folgte ihm langsam. »Gib das Messer her!« sagte ich ruhig und streckte die Hand aus. »Du hast nicht den Hauch einer Chance.«
»Hol es dir!« knirschte er. Ich spürte, daß er sich von der Hetzjagd die Treppe hinauf zu erholen begann. Die Beleuchtung in diesem Korridor war so spärlich, daß ich es nicht riskieren konnte, ihm seine Waffe abzunehmen. Ich war unbewaffnet, und er erkannte das. Die einzige Lampe des Korridors war ungefähr in der Mitte. Als er unter ihr stand, richtete er sich auf und zerschlug die Glühlampe mit der Messerklinge. Die Dunkelheit machte mich blind, während er mich gegen die Beleuchtung im Treppenhaus als Schattenriß sehen konnte. »Fahr zur Hölle!« brüllte er und griff an.
Ich ließ mich gegen die Seitenwand fallen und fing ihn mit dem Fuß ab. Der wuchtig geführte Hieb erreichte mich nicht, sondern ging ins Leere. Der Bursche rannte gegen meinen ausgestreckten Fuß wie gegen einen Rammklotz. Ich stieß mich von der Mauer ab und feuerte einen Schwinger mit geradem Arm in die Richtung, in der er sich befinden mußte. Ich erwischte ihn ungenau, vermutlich irgendwo an der Schulter, aber es genügte, um ihn von den Füßen zu holen. Er sprang sofort wieder auf, und ich stellte mich auf einen zweiten Angriff ein.
Statt dessen hörte ich seine hastigen Schritte auf den Stahlstufen dröhnen. Eine Tür knarrte in den Angeln. Rotblaues Licht fiel in den Gang. Ich sah die Gestalt eines Mannes gegen das Licht. Gleich darauf fiel die Tür wieder ins Schloß. Ich sprang
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