Jerry Cotton - 0557 - Per Express in den Tod
hin, daß die Räume durchsucht worden waren. Carmie Gill schien in ihren häuslichen Gewohnheiten einfach eine Schlampe zu sein. Überall lagen Wäschestücke, abgestreifte Schuhe, benutzte Handtücher herum. Die Aschenbecher waren mit Zigarettenstummeln gefüllt. Auf dem Tisch, aber auch auf dem Boden standen Gläser.
»Die Reste der letzten Party«, sagte Govin und stieß ein Glas mit dem Fuß um. »Ich wette, sie hat sie bereits am vergangenen Wochenende gefeiert, konnte sich aber noch nicht aufraffen, Ordnung zu machen.«
»Govin, für wen arbeitete Carmie Gill?«
»Wie Sie selbst gesehen haben, arbeitete sie für mich.«
»Wer schickte Carmie zu mir in die Wohnung?«
»War sie schon in Ihrer Wohnung? Hm, sie verliert die moralischen Hemmungen immer schneller.«
»Sie kam in meine Wohnung, um einen Koffer zu holen.«
»Ich weiß nichts von einem Koffer.«
»Sie kam während Ihrer Geschäftszeit!«
»Sie bat mich um Urlaub zur Erledigung einer Besorgung. Ich bin immer großzügig. Ich ließ sie gehen. Sie blieb nicht länger als eine Stunde fort, wie Sie selbst wissen.«
»In wessen Auftrag kam sie?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sie werden mir alle Leute nennen müssen, mit denen Carmie Gill Umgang hatte.«
Er stieß ein meckerndes Gelächter aus. »Wollen Sie jeden Mann und jede Frau verfolgen, denen sie die Hände bearbeitete? Mit jedem und jeder konnte sie Verabredungen treffen, ohne daß ich etwas davon erfahren hätte. Ich wußte auch nichts davon, daß Carmie heute mit Ihnen verabredet war.«
»Sie werden mich sofort benachrichtigen, wenn das Mädchen bei Ihnen auftaucht.«
Govins dunkle Knopfaugen starrten mich bösartig an. Dann senkte er die Lider. »Ich kenne nicht einmal Ihren Namen.«
»Es genügt, wenn Sie Relling 5-6364 wählen«, antwortete ich und nannte ihm damit die Nummer des Anschlusses in Hank Etherns Apartment. »Kennen Sie die Nummer?«
»Nein, ich habe sie noch nie gehört.«
»Carmie Gill wußte sie auswendig.« Ich ging so nahe an ihn heran, daß ich ihm beinahe auf die Zehen trat. »Und jetzt, Govin, möchte ich sehen, was Sie in die Tasche steckten, bevor wir Ihren Laden verließen.«
Er wich keinen Schritt zurück. Aus einer Handspanne Abstand starrten wir uns in die Augen. »Wie neugierig Sie sind«, stieß er hervor und zog die Lippen von den Zähnen. Das Gold in seinem Gebiß blinkte. Er versenkte eine Hand in die Tasche. »Ich pflege immer mein Handwerkszeug mitzunehmen.« Er zog die Hand aus der Tasche, hob sie bis zur Höhe seines Kopfes. Zwischen den Fingern hielt er ein Rasiermesser. Noch lag die Klinge im Griff. »Es kann ja sein, daß jemand von seinen Bartstoppeln befreit werden möchte.« Er legte den Daumen auf den Hebel am Ende des Griffes. Die flache Klinge kam zum Vorschein. »Wie steht’s mit Ihnen?« fragte er langsam.
Ich lächelte. »Vielleicht morgen, Mr. Govin, nach dem Frühstück.«
***
Holgren preßte das Mädchen mit dem Rücken gegen die Wand. »Du verdammtes Biest«, knirschte er. Mit voller Kraft schlug er Carmie ins Gesicht, so daß ihr Kopf auf die linke Schulter fiel.
Sie schrie leise auf. »Bitte nicht, John! Schlagen Sie mich nicht! Ich bin doch sofort zu Ihnen gekommen, als ich merkte, daß mit diesem Mann irgend etwas nicht stimmte.«
Holgren faßte sie an der nackten Schulter, riß sie herum und stieß sie so heftig in einen Sessel, daß das schwere Möbel einige Zoll rutschte. »Du konntest nichts Dümmeres tun! Begreifst du das nicht? Wenn der Kerl wirklich nicht Ethern ist, sondern ein Schnüffler, hast du dich mit deiner Flucht völlig verraten. Womit bist du gekommen?«
»Mit meinem Wagen«, wimmerte sie.
Holgren wandte sich an den jungen Neger. »Schaff den Schlitten weg! Wer weiß, ob nicht längst alle Washingtoner Cops danach Ausschau halten. Fahr ihn in die Garage!«
Während Natty Bloom das Büro verließ, stürzte sich Holgren auf das Mädchen. »Bist du sicher, daß du dem Burschen gegenüber nie das Half and Half erwähnt hast?«
Sie barg aus Furcht vor neuen- Schlägen das Gesicht zwischen den Händen. »Ganz sicher, John! Ich konnte doch nicht ahnen, daß etwas mit ihm nicht stimmte. Ich habe Sie gefragt, John, ob ich zu ihm gehen durfte, und Sie…«
»Halt den Mund!« schnauzte er sie an. »Ich hätte dir eine Tracht Prügel geben sollen, statt dich gehen zu lassen.« Er schnellte herum, ging mit vier großen Schritten zu einem Wandschrank, dessen Tür er aufriß. Hastig nahm er eine Flasche und ein
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