Jerry Cotton - 0572 - Mit 1000 PS ins Jenseits
ich. »Aber das geht Sie ja wohl nichts an.«
»Sie sollten heute fahren«, meinte er hartnäckig. »Oder fliegen. Rennen sind gefährlich, das wissen Sie ja. Es gibt immer wieder bedauerliche Unfälle — und nicht selten sind harmlose Besucher die Opfer.« Er blies mir den Rauch ins Gesicht. »Ich spreche von Todesopfern, Mister.«
Kein Zweifel, das war eine Drohung. »Ich liebe Risiken«, sagte ich gelassen. »Sie sind mein Lebenselement.«
Ich versuchte mich an dem Burschen vorbeizudrängeln. Er stieß mich zurück. »Faß mich nicht an, Kleiner — das macht mich ärgerlich«, knurrte er.
Die Gäste beobachteten die Szene mit einer lauernden, lastenden Aufmerk- samkeit, die ich nicht begriff. Unter den Männern im Lokal saßen drei prominente Rennfahrer, deren Sinn für Fairneß sehr ausgeprägt war, und die sich in einer ähnlichen Situation mit Sicherheit gegen den Herausforderer gewandt hätten. Warum ergriffen sie diesmal keine Partei?
Hielten sie mich für stark genug, die Lage zu meistern, oder gab es andere Gründe für ihr merkwürdiges Verhalten?
»Du bleibst noch ein wenig, Kleiner«, meinte mein Gegenüber grinsend. »Wenn ich dich nachher gehenlasse, marschierst du zurück ins Hotel und schnappst dir deine Reisetasche, um abzustinken. Der nächste Zug geht um dreiundzwanzig Uhr fünfzig.«
Ich fragte mich, woher der Bursche wußte, daß ich mit einer Reisetasche nach Indianapolis gekommen war. Im nächsten Moment fiel mir ein, daß das Lokal noch einen zweiten Ausgang hatte. Ich drehte mich um und ging darauf zu. Der Gorilla folgte mir. Als ich die Hand nach dem Drehknopf an der Tür ausstreckte, packte mich der Hüne am Arm. Er riß mich herum.
»Nicht auskneifen, Kleiner«, sagte er höhnisch. »Du solltest besser das tun, was ich dir sage.«
Irgendwo im Lokal kicherte ein Girl. Das Kichern erstarb so rasch, wie es aufgekommen war. Es hatte eher nervös als belustigt geklungen.
»Lassen Sie meinen Arm los«, sagte ich ruhig.
»Willst du mich herumkommandieren, Freundchen?« fragte er mit gespieltem Erstaunen. »Das finde ich gar nicht nett von dir, mein Kleiner.«
Mit kurzem, trockenem Schlag fegte ich seine Hand zur Seite. Er stolperte zurück und wurde puterrot. Dann jumpte er auf mich zu und griff mich an. Die Gäste sprangen von ihren Stühlen und machten uns Platz. Noch immer fand sich niemand bereit, uns zu stoppen. Mir war das ziemlich gleichgültig. Es wurde hohe Zeit, dem Gorilla eine Lektion zu erteilen.
Er versuchte, seine Linke auf mein Kinn zu setzen. Ich wich ihm mit einem Sidestep aus und konterte hart. Mein Haken erwischte ihn auf dem Punkt. Er begann zu torkeln, es war phantastisch, daß er sich nach diesem Treffer auf den Beinen zu halten vermochte. In seinen Augen zeigte sich ein starrer, glasiger Glanz.
Ich wartete ab. Möglicherweise genügte ihm diese Lehre, aber ich bezweifelte, daß er aufgeben würde. Er war einfach nicht der Typ, der vor einem größeren Zuschauerkreis kapitulieren konnte. Das ließ seine Eitelkeit nicht zu.
Ich täuschte mich nicht. Er gönnte sich nur eine kurze Verschnaufpause und griff dann erneut an. Diesmal hielt er seine Deckung dicht geschlossen. Er fightete rationell und vorsichtig. Doch ich wollte weg von hier. Ich brannte darauf, mit Bert zu sprechen.
Ich machte es kurz und möglichst schmerzlos. Einer gerade herausgestochenen Linken, die voll ins Ziel kam, ließ ich eine schulmäßig geschlagene Dublette folgen. Der Bursche ging zu Boden und blieb liegen. Er versuchte sich hochzuziehen und riß dabei einen Tisch um. Ein paar Flaschen und Gläser fielen herab. Mein Gegner sackte in sich zusammen und fiel auf das Linoleum zurück.
Ich rückte meinen Schlips zurecht und suchte erneut die Blicke der Männer zu bannen, die ich kannte. Sie wichen mir aus, die einen verlegen, die anderen irgendwie verstockt und bitter. Ich verspürte den Wunsch, ein paar Fragen an sie zu richten, aber ich fühlte, daß das zu nichts führen würde. Ich machte kehrt und verließ das Lokal.
Draußen dunkelte es bereits. Die Straßen der Stadt waren knallvoll. Hunderttausende waren nach Indianapolis gekommen, um das große Rennen mitzuerleben. Es gab Leute, die die Nacht in Badewannen verbringen würden, um am nächsten Morgen dabeisein zu können — aber im Augenblick dachte noch kein Mensch ans Schlafengehen. Es war ein rauschendes Volksfest, eine knisternde, kochende Atmosphäre von Rennfieber, Spekulationen und Wetten. Niemand konnte sich ihr
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