Jerry Cotton - 0574 - Teufel mit blutigen Rosen
Aristoteles gelacht.«
Ich schüttelte den Kopf, verabschiedete mich von ihm und fuhr zurück in die Stadt. Ich fand einen Parkplatz im Schatten einer weit ausladenden Ulme und ging zu Fuß die Hauptstraße hinab. Die Zeit rann mir durch die Finger.
An wen wendet man sich, wenn man etwas über die Lebensgewohnheiten eines jungen Mädchens erfahren will? Natürlich an diejenigen, die mit jungen Mädchen verkehren. Dummerweise war es noch zu früh, um in irgendeinem Jazzlokal, das es sicherlich auch in Hawthorne gab, mit der männlichen Jugend Kontakt aufzunehmen.
Ich nahm statt dessen mit dem größten Drugstore vorlieb, den es an der Hauptstraße gab. Ich hatte Mühe, einen Platz zu finden. Der Tresen war besetzt. Das störte mich nicht. Die Fünfzehn- bis Sechzehnjährigen, die dort ihre Milchmixgetränke genossen, waren zu jung, um etwas über Patricia Ardworth sagen zu können. Ich setzte mich zu einem jungen Mann, der eine Brille trug und mit ernster Miene in einem Mathematikbuch las. Er hatte eine Cola vor sich stehen und war ungefähr neunzehn Jahre.
»Kaffee«, sagte ich, als die Serviererin an den kleinen Tisch trat. Der junge Mann musterte mich prüfend. »Wohnen Sie hier im Ort?« fragte ich ihn.
Er nickte und wandte sich wieder seiner Lektüre zu. Offenbar lag ihm nichts an einer Unterhaltung.
»Ich bin Jerry Cotton vom FBI«, sagte ich und zeigte ihm meine Dienstmarke.
Er hob den Kopf und wollte etwas erwidern,' aber der Satz blieb unausgesprochen in der Luft hängen. Vielleicht wurde er auch nur von dem metallenen Krachen übertönt, das plötzlich von der Straße hereintönte.
Wir sprangen hoch. Auch die anderen eilten zur Tür. Auf der Kreuzung hatte es einen Zusammenstoß gegeben. Offensichtlich hatte die Fahrerin eines roten Sportwagens die Vorfahrt nicht beachtet. Sie war einer dunkelblauen, schon ziemlich schäbig aussehenden Limousine in die Seite gerast.
Aus der Limousine kletterte ziemlich benommen ein weißhaariger Mann. Ströhhut, Kleidung und die wie gegerbt wirkende Haut wiesen ihn als Farmer aus. Das Girl, das aus dem Sportwagen sprang, trug Shorts und eine ärmellose weiße Bluse. Das Mädchen war hellblond und enorm langbeinig. Auf der Nase saß eine riesengroße Sonnenbrille mit weißem Gestell.
»Können Sie nicht aufpassen, Sie alter Narr?« schrie sie den Farmer an.
Der Alte nahm seinen Hut ab. Er schluckte einige Male.
»Es tut mir leid, Miß«, murmelte er kaum hörbar. »Es ‘ wird nicht wieder passieren.«
Keiner der Zuschauer sagte ein Wort. Ich verstand es nicht. Es war ganz offensichtlich, daß das Mädchen den Unfall verursacht hatte. Statt sich zu entschuldigen, fiel es über den Alten her. Aber warum ließ er sich das bieten?
Ich wollte mich gerade durch die Kette der Neugierigen drängen, als plötzlich ein Polizist auftauchte. Er grüßte erst das Mädchen, dann wandte er sich an den Alten.
»Blechschaden«, sagte er. »Ich nehme das gleich auf. Kein Grund zur Unruhe!« Es schien mir so, als sei er ziemlich verlegen.
»Unerhört, daß man so etwas auf die Straße läßt«, schimpfte das Girl.
Ich machte kehrt und setzte mich wieder an den Tisch. Der junge Mann folgte mir. »Typisch!« sagte er bitter und steckte sich eine Zigarette an. »Eine Ardworth hat immer recht.«
Ich stellte meine Lauscher hoch. »War das Sheila Ardworth?« fragte ich ihn.
»Nein, Celeste«, antwortete er. »Sie ist mal wieder zu Besuch hier. Aber es hätte ebensogut Sheila gewesen sein können. Sie sind alle gleich. Arrogant und rechthaberisch. Man könnte meinen, diese Stadt gehöre ihnen.« Er verzog die Lippen. »Na ja, in gewisser Weise stimmt das ja auch.«
»Wir leben hier doch nicht in einer Bananenrepublik!« sagte ich.
»Finden Sie? Vor den Ardworths kuscht jeder. Es ist, als wären die anderen nur Menschen zweiter Klasse.«
»Solche Leute werden im allgemeinen gehaßt«, sagte ich. »Mußte deshalb die junge Patricia sterben?«
Er schaute mich verständnislos an. »Sie ticken wohl nicht richtig? Niemand haßt die Ardworths. Man haßt vielleicht dfen Nachbarn, der plötzlich eine Million in der Lotterie gewinnt und größenwahnsinnig wird, man haßt den Kollegen, der es im Leben weiterbringt, aber man haßt niemand, der so hoch über einem thront wie die Ardworths. Nein, man respektiert, bewundert und fürchtet sie. Das ist alles. Ich glaube, man ist sogar ein wenig stolz auf sie, man ist stolz darauf, mit ihnen im gleichen Ort zu wohnen.«
»Kannten Sie
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