Jerry Cotton - 0584 - Du musst toeten Cotton
froh, daß ich nach alledem wieder auf unsere Ranch kommen darf.«
»Wissen Sie, wie Sie mich erreichen können?« fragte ich.
»Ja«, sagte er verwundert. »Cotton beim FBI New York.«
»Genau, Mr. Head. Melden Sie sich in ein paar Monaten mal bei mir! Ich werde dann alles, was in meiner Macht steht, tun, damit Ihre Bewährungsfrist in einen endgültigen Straferlaß umgewandelt wird.«
»Warum tun Sie das?« fragte er.
Ich grinste. »Damit Sie mal mit ruhigem Gewissen einen Whisky zuviel trinken dürfen, ohne daß Ihr Sheriff Sie dann gleich abführen kann.«
»Mensch«, sagte er nur. »Mensch, Mensch…«
Ich klopfte ihm ermutigend auf die Schulter und erhob mich.
»Was machen Sie denn hier im Zug?« fragte er.
»Es ist kein Witz, aber ich suche einen Mann, der einen anderen umbringen oder umbringen lassen will. Ich kenne ihn nicht, aber er kennt mich.«
»Sie wissen, wo Sie mich finden, Cotton«, sagte er. »Ich habe mich noch für eine Lebensrettung zu revanchieren!«
***
Er saß im zweiten Waggon in der dritten Sitzreihe und las in einem Thriller.
Das heißt, er tat nur so, als lese er. In Wirklichkeit hatte er seit gut fünf Minuten kein Interesse mehr, die spannende Handlung weiter zu verfolgen.
Cotton, dachte er. Dieser Bulle ist auf meinen Trick nicht hereingefallen. Er hat gemerkt, daß heute der entscheidende Tag ist, daß der Mann aus Chicago sterben muß.
Der Mann im zweiten Waggon, dritte Sitzreihe, Platz Nr. 6, hörte auf den Namen Robinson Ferry, war zu jenem Zeitpunkt 48 Jahre alt, besaß die amerikanische Staatsbürgerschaft und war in der Lage, als Beruf die wohlklingende Bezeichnung eines Finanzmaklers in New York City anzugeben.
Daß seine Maklergeschäfte seit sechs Jahren darin bestanden, daß er zweifelhafte Unternehmungen von mehr oder weniger großen Gangsterbanden finanzierte und dafür einen jeweils angemessenen Teil des Geschäftsertrags kassierte, war nicht aktenkundig.
Er war nirgends in den USA registriert, ausgenommen beim zuständigen Finanzamt. Auch seine Fingerabdruckformel war den Behörden unbekannt.
Robinson Ferry kannte seine Formel. Sie lautete: 14-9-R-0/12-U-00-9. Sie war bei Scotland Yard in London registriert, und im alten England war Robinson Ferry auch in den Akten festgehalten. Daß Interpol und damit das FBI von der Existenz des Mr. Ferry nichts wußte, lag daran, daß der ehemalige Buchfälscher — wegen Unterschlagungen in Höhe von 28 354 Pfund, acht Shilling und fünf Pence hatte er sechs Jahre in Ihrer Majestät Gefängnis in Dartmoor gesessen — das erwähnte britische Zuchthaus auf etwas abenteuerliche Weise verlassen hatte. In einem Sarg nämlich, in,dem ein anderer, tatsächlich verstorbener Mitgefangener liegen sollte. Die Tatsache, daß Mr. Ferry seinerzeit wegen guter Führung einen Vertrauensposten in der Krankenabteilung des Gefängnisses bekleidete, hatte ihm diesen Coup möglich gemacht.
Mit unbestreitbarem kaufmännischen Geschick hatte Ferry nach seiner Einwanderung, mit ebenso falschen wie guten Papieren, in New York sein neues Geschäft aufgebaut. Jetzt konnte er sich beachtlicher Geschäftserfolge und zahlreicher Verbindungen zu einflußreichen Kreisen der Unterwelt rühmen.
Eigentlich hätte Robinson Ferry mit seinem Werdegang durchaus zufrieden sein können. Daß er es nicht war, lag nur an einer ausgeprägt schlechten Eigenschaft. Ferry hatte Vorurteile, und die richteten sich in erster Linie gegen Italiener.
Robinson Ferry hatte sich vom ersten Augenblick an, in dem er sich mit der New Yorker Unterwelt beschäftigte, nicht mit der führenden Rolle zahlreicher Amerikaner italienischer Abstammung abfinden können. Und so hatte er sich vorgenommen, den Südländern zu zeigen, daß ein kühl rechnender Brite durchaus in der Lage war, sich zum größten Boß in New York aufzuschwingen.
Ferry hatte Generalstabsarbeit geleistet. Er hatte sich mit einer Anzahl intelligenter, wenn auch verbrecherischer Mitarbeiter umgeben und andererseits darauf verzichtet, seine entstehende Macht in den Kreisen der alteingesessenen Unterwelt zu verankern. Ferry hatte sein Vorgehen so raffiniert geplant, daß sein endgültiger Aufstieg zu einem Beherrscher der New Yorker Unterwelt zwangsläufig mit einem schweren Schlag gegen seine Konkurrenz gekoppelt sein mußte.
Der Mann aus Chicago, der sich Carpenter nannte, und dessen Koffer mit 300 000 Dollar Falschgeld und einer Anzahl ebenfalls falscher, aber einwandfreier Druckplatten spielten dabei
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