Jerry Cotton - 0587 - Der Club der grausamen Witwen
Einfahrt, an der sie vorbeikamen.
»Da!« rief Snuggle.
Sie trabten in die Einfahrt hinein.
»Au verdammt«, sagte Badfield erschrocken.
Sie erreichten die Gestalt, die reglos auf dem Boden lag. Badfield ließ den Lichtkegel der Taschenlampe wandern. Eine Blutlache hatte sich rings um den Oberkörper, gebildet. Snuggle kniete schon im Rücken des Reglosen und tastete nach dem Puls am linken Handgelenk.
»Menschenskind«, murmelte er, »das ist Burns. Das ist doch unser Sergeant.«
»Verdammt noch mal, das sehe ich selber.«
Ein paar Sekunden standen sie wie gelähmt. Robert S. Burns, Sergeant im 62. Revier. Ihr Einsatz-Sergeant. Der Mann, der mit ihnen die ersten Streifengänge gemacht hatte, als sie von der Polizeischule gekommen waren. Der Sergeant, der sie in den kalten Winternächten mit heißem Kaffee empfangen hatte, wenn sie aus dem Schneetreiben zurüdi ins Revier gekommen waren. Der Kamerad, der für sie zum Captain ging, wenn sie mal einen Tag Urlaub brauchten.
»Du bleibst hier«, stieß Badfield mit rauher Stimme hervor. »Ich rufe den Captain an. Und die Mordkommission.« i »Ruf zuerst einen Arzt. Vielleicht lebt er noch.«
»Okay.«
Badfield rannte. Seine Schritte hallten laut in der engen Gasse wider. Er erreichte die Straße, überquerte sie und ließ sich keuchend auf den Fahrersitz fallen. Auf seiner Stirn standen winzige glitzernde Perlen von Schweiß. Er war seit drei Jahren bei der City Police. Aber zum erstenmal hatte er jetzt vor der Leiche eines Kollegen gestanden. In seinem Magen war ein flaues Gefühl.
»Wagen vierzehn«, meldete er. »Sarge, hören Sie mich? Es ist dringend!« Aus dem Lautsprecher drang die Stimme von Desk-Sergeant Quibbers. Man konnte ihrem Tonfall anhören, was ihr Besitzer dachte: Immer diese aufgeregten Neulinge.
»Bei der Polizei ist alles dringend«, sagte Quibbers. »Wo brennt’s denn?« Badfield schluckte. »Es ist Burns«, krächzte er. »Wir haben ihn gerade gefunden. Jemand hat ihn erschossen. O Gott, jemand hat Burns erschossen, Sarge!«
Zwei Herzschläge lang blieb es totenstill im Lautsprecher. Die Musik aus der Kneipe, vor der sie parkten, schien meilenweit entfernt zu sein. Badfield dachte an die Tochter von Burns, mit der er beim letzten Revierfest getanzt hatte. Er sah ihre großen blauen Augen vor sich wie in einer Großaufnahme. Mein Gott, dachte er, wer soll es bloß seinen Angehörigen beibringen?
Jetzt drang Quibbers’ Stimme wieder aus dem Lautsprecher. Aber jetzt hatte sie ihren jovialen Klang verloren. Jetzt war sie kalt und schneidend wie Metall.
»Ihr bleibt am Fundort! Achtung! Achtung! Revier 62 an alle! Code 21! Ich wiederhole: Code 21! Gehen Sie auf Q! Gehen Sie auf Q!«
Mechanisch drückte Badfield die Taste, die ihr Sprechfunkgerät auf eine Frequenz schaltete, die von normalen Autoradios nicht abgehört werden konnte. Code 21 war in diesem Monat das Kennwort für »Polizistenmord, Polizist in Gefahr, dringend Hilfe für bedrohten Kollegen.« Badfield zog sein Taschentuch und wischte sich die Stirn und den Hals ab. Er wußte, daß jetzt alle Streifenwagen des Reviers und alle in der Nähe befindlichen Wagen des Hauptquartiers mithören würden.
»Geben Sie Standort, Wagen vierzehn!« befahl Quibbers.
»Ecke Holloway-Gasse«, sagte Badfield rauh. Er setzte den Namen der Hauptstraße hinzu. »Wir sind nicht sicher, ob Burns tot ist«, fuhr er fort. »Snuggle konnte keinen Puls mehr fühlen. Schickt zuerst einen Arzt, und sagt ihm, er soll sich beeilen!«
Quibbers gab seine Anweisungen, während er mit den Fingern der Linken schon die private Rufnummer des Captains und Revierleiters drehte. Danach nahm er den Hörer von dem Apparat, der direkte Verbindung zum Hauptquartier hatte. Vorher hatte er schon blitzschnell vor seinem Gedächtnis die Liste der im Revierbereich wohnenden Ärzte geprüft. Beim ersten meldete sich niemand, doch den zweiten konnte er erreichen.
»Hallo, Doc«, sagte er. »Entschuldigen Sie die späte Störung. Hier spricht Sergeant Quibbers vom 62. Revier. Ganz in Ihrer Nähe wurde einer unserer Beamten erschossen. Aber vielleicht ist er nur schwer verletzt und lebt noch. Könnten Sie bitte schnell nach ihm sehen?«
»Selbstverständlich, Sergeant. Wo ist es?«
Quibbers beschrieb die Örtlichkeit.
»Ich komme sofort«, versprach der Arzt.
»Danke«, sagte Quibbers. Er wischte sich mit der flachen Hand über das Gesicht. Mein Gott, dachte er. Burns. Und vor einer halben Stunde haben wir uns noch
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