Jerry Cotton - 2909 - Rache ist ein einsames Geschaeft
ein Riesenherz gehabt haben, wenn sie jemanden aus einem solchen Loch in Behandlung nimmt«, murmelte Blair, bevor er die Hand auf die Klingel legte. Nichts rührte sich, vielleicht war die Elektrizität abgeschaltet oder die Klingel defekt.
June bewegte sich an Blair vorbei direkt vor die Tür.
»Mister Miller«, rief sie und schlug mit der flachen Hand gegen das Türblatt. »FBI. Öffnen Sie. Wir haben ein paar Fragen an Sie!« Zunächst rührte sich nichts, dann wurde langsam die Tür weit geöffnet. Der schmale, blasse Mann, der ihnen in Trainingshose und einem dunkelblauen T-Shirt gegenüberstand, sah sie aus großen, dunklen Augen erschrocken an.
»FBI?«, hauchte er. June nickte und zog ihre Marke heraus. Craig Miller beugte sich mit zusammengekniffenen Augen leicht nach vorne, als wolle er sie genauer studieren. Dann ging alles sehr schnell. Miller griff nach Junes erhobenem Arm und zog sie mit einer Kraft, die keiner der beiden FBI-Leute ihm zugetraut hätte, durch die offene Wohnungstür.
June war komplett überrumpelt, sie stolperte, von Miller gezogen, in einen dunklen Flur und landete mit dem rechten Knie auf dem Boden, während ihr linkes Bein durch den Sturz abgeknickt wurde. Sie stieß einen Schmerzensschrei aus. Miller hob sein Bein über die nun unter ihm halb liegende Frau und trat die Tür mit einer kräftigen Bewegung zu, bevor Blair sich dazwischenstellen konnte.
»Bleiben Sie draußen, sonst bringe ich Ihre Kollegin um«, schrie der Mann. Seine Stimme klang hoch und ängstlich, beinahe schon hysterisch.
June wollte aufstehen, erhielt von Miller jedoch einen heftigen Tritt gegen den Kopf. Sie flog gegen die Wand und sah einen Moment lang nur noch Sternchen. Verdammt, sie hatte nicht gesehen, dass der Kerl feste Stiefel mit dicken Sohlen trug.
»Ihr kriegt mich nicht. Ihr kriegt mich nicht«, murmelte Miller immer wieder. Hektisch lief er durch den Flur in seine Küche. June hörte, wie Schubladen aufgezogen und wieder zugeknallt wurden, Metall schepperte. Sie stand schwankend auf, knickte mit dem linken Knöchel erneut um und musste sich am Boden abstützen, um wieder hochzukommen. Taumelnd griff sie nach ihrer Dienstwaffe, doch bevor sie die SIG Sauer gezogen hatte, war Miller schon zurück und hielt ein langes Messer in der ausgestreckten Hand.
»Töten. Töten. Töten«, skandierte er. June begriff, dass der Mann nicht ganz bei Verstand war.
»Er hat ein Messer!«, schrie sie nach draußen, wo Blair lautstark fluchte und gegen die Tür trommelte.
Sie wandte sich Miller zu und hob beruhigend die Hände.
»Alles in Ordnung. Wir wollen nur mit Ihnen reden«, sprach sie auf ihn ein. Im selben Moment erbebte die Eingangstür unter einem mächtigen Schlag. Blair! Er hatte vermutlich bereits Verstärkung gerufen und warf sich nun gegen die Tür. So, wie June ihren Partner kannte, würde es nicht lange dauern, bis er in der Wohnung war. Aber Miller war nicht mit normalen Maßstäben zu messen. Es stand zu befürchten, dass der Mann sich völlig unberechenbar benahm.
»Bitte bleiben Sie ruhig. Ich tue Ihnen nichts«, redete sie weiter. Die dunklen Augen flackerten, der Mann vor ihr sah aus wie ein Wahnsinniger.
»Das Böse töten. Das Böse töten«, murmelte er. Dann ließ er sein Messer sinken.
Hinter June krachte es gewaltig, Holz splitterte und ein schnaubender Blair taumelte durch die Tür, die er soeben eingetreten hatte, direkt auf den Rücken seiner Partnerin zu. Miller sprang mit einem Angstschrei mit beiden Beinen in die Luft und dann, mit unglaublicher Geschwindigkeit, nach vorne, das Messer immer noch in der geballten Faust.
June riss die Arme hoch, um ihn zu stoppen, doch Blair war in dem engen kurzen Flur auf sie draufgestolpert, schob sie mit seinem Körper unbeabsichtigt ein, zwei Schritte nach vorn. Das Messer in Millers Hand glitt von unten in ihren Arm bis zur Achselhöhle hinauf, weich wie Butter. Sie spürte den kalten Stahl und dann das warme Blut, keinen Schmerz, der kam erst später.
Im selben Moment flog Blairs Faust an ihr vorbei, sie traf Miller mitten auf die Stirn. Der stürzte nach hinten weg und blieb benommen liegen, das Messer glitt aus seiner Faust und schlitterte mit einem hässlichen Scharren über den Steinfußboden der Küche.
Der große FBI-Agent stürmte auf den am Boden Liegenden zu, drehte ihn um, als sei er eine Puppe und legte ihm mit einem nur halb unterdrückten Fluch Handschellen an. Unten röhrten Sirenen. Die Verstärkung war da, es
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