Jerry Cotton - 2916 - Das Marlin-Projekt
bestimmt acht oder neun Wohnungen. Aber im Laufe der Jahre bildet sich ein Bauchgefühl, ein Instinkt heraus. Jedenfalls schrillten bei uns beiden die Alarmglocken.
Gleichzeitig stiegen wir aus und folgten den Männern, die alle drei teure Anzüge trugen und schwarze Haare hatten. Mehr war bisher nicht zu sehen gewesen.
Sie schienen einen der Klingelknöpfe zu betätigen und warteten eine ganze Weile, vielleicht eine halbe Minute. Dann gingen sie rein. Ob man ihnen geöffnet hatte oder ob sie das Schloss geknackt hatten, war von unserer Position aus nicht zu sehen gewesen.
Eingreifen konnten wir sowieso nicht – noch waren uns die Hände gebunden. Phil rief in Mr Highs Büro an, doch der konnte uns noch nichts Näheres sagen. Er wartete selbst auf Nachricht von der Staatsanwaltschaft.
Phil hatte das Gespräch gerade beendet, da traten die drei Männer wieder auf die Straße. Ich dachte, mich trifft der Schlag, als ich sah, was der Kleinste aus dem Trio an der Hand mit sich trug: einen etwa sechs Fuß langen, schmalen schwarzen Koffer, und zwar das Ebenbild des Koffers, den wir von der Videoaufzeichnung kannten – des Koffers also, den Daffoyle im Institut hatte mitgehen lassen.
Was jetzt tun?
Eine offizielle Handhabe hatten wir immer noch nicht, denn wir konnten den Männern keine Straftat nachweisen, aber irgendwie handeln mussten wir. Also stellten wir uns den Männern einfach in den Weg.
»Guten Tag, die Herren. Special Agent Cotton vom FBI. Dies hier ist mein Kollege Special Agent Decker.« Wir wiesen uns aus und ließen die Marken ein bisschen schimmern, doch Eindruck erweckte das offenbar überhaupt nicht. Aus der Nähe betrachtet schienen mir alle drei Männer arabischer Herkunft zu sein. Was mir allerdings weit mehr Sorgen bereitete, waren die typischen Ausbeulungen unter ihren Jacketts in dem Bereich, in dem die meisten Menschen ihre Schulterhalfter tragen.
»Was wollen Sie?«, blaffte uns der älteste an, ein Mann von vielleicht sechzig Jahren mit stechenden Augen und einem dichten, kurz geschnittenen Vollbart.
»Wir möchten, dass Sie sich erst einmal ausweisen. Wohnen Sie hier?«, fragte ich in recht belanglosem Tonfall. Ich wollte sie nicht sofort in Alarmstimmung versetzen – wenn sie das nicht sowieso schon waren.
»Ja, in der Tat, ich wohne hier. Was will das FBI in dieser Gegend?«
Phils Handy klingelte; er nahm das Gespräch an und sagte dann eine ganze Weile nichts. Er kniff die Augen zusammen und sein sich ändernder Gesichtsausdruck alarmierte mich – und die drei Männer ebenfalls.
»Können wir weiter? Wir haben wenig Zeit«, drängelte der Ältere in akzentfreiem Oxford-Englisch mit leichtem amerikanischem Einschlag.
Phil sah ihn scharf an. »Warten Sie bitte noch!« Es klang deutlich nach Befehlston. Dann kam mein Partner zu mir, flüsterte in mein Ohr: »Daffoyle wurde erschossen. Täter ist flüchtig.«
»Was?«, fragte ich entsetzt. Mein erster Impuls war, zu fragen, wie das passieren konnte, aber natürlich wusste ich, dass Phil mir das auch nicht beantworten konnte. Deshalb schwieg ich und wandte mich wieder den drei Männern zu, die tatsächlich gewartet hatten.
»So, die Herren, stellen Sie jetzt bitte den Koffer ab und weisen Sie sich alle aus.«
Phil war ein Stück zur Seite getreten, um sicherheitshalber das SWAT-Team hierherzubeordern. Eine Idee, die vom Grundsatz her nicht falsch war, wie sich schnell zeigte.
Denn urplötzlich hatten zwei der Männer Waffen in der Hand und ihre Läufe zeigten nicht zufällig auf Phils und meinen Kopf.
»Sie werden jetzt ganz langsam ihre Dienstwaffen mit ganz spitzen Fingern herausholen und vor sich auf den Boden legen«, diktierte jetzt der Bärtige die Spielregeln.
Uns blieb nichts anderes übrig, als den Anweisungen Folge zu leisten.
»Was versprechen Sie sich davon? Sie wissen, dass wir Sie auf jeden Fall schnappen«, machte ich einen ernsthaften Versuch, das Blatt wider alle Wahrscheinlichkeit zu wenden, doch die drei Männer reagierten gar nicht darauf. »Ganz langsam«, wiederholte der Bärtige nur.
Wir mussten gehorchen.
»Und jetzt gehen Sie diese Straße hinauf, immer weiter, weit weg von Ihrem Auto«, befahl der Bärtige und wies uns mit seiner Pistole den Weg, den er meinte. »Heute ist Ihr Glückstag, Agents, Sie werden nicht sterben. Los jetzt!«
Was sollten wir auch machen? Wir hatten uns anfängermäßig austricksen lassen. Jetzt hieß es: klein beigeben. Erst mal jedenfalls. Also gingen wir los.
»Wer
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