Jerry Cotton - 2916 - Das Marlin-Projekt
Hüfte presste.
Es handelte sich um einen Weißen, vielleicht dreißig Jahre alt, nachlässig rasiert, aber drahtig und hochgewachsen.
»Keine Spielchen, schön hocken bleiben. Sie sind verhaftet«, rief Joe gut verständlich und begann, dem Kerl seine Rechte vorzulesen.
Als ich unten ankam, fischte ich ein paar Handschellen hervor. »Ihre Wunde wird hier noch schnell versorgt. Und dann geht’s an einen schönen Ort, an dem wir reden können«, sagte ich, erntete aber wenig Beifall.
»Halt’s Maul!«, schleuderte er mir hasserfüllt entgegen.
Vielleicht drei Minuten später war unser SWAT-Team eingetroffen. Wir wiesen die Kollegen in die Lage ein, und nach einem kurzen Besuch im Hause der Haighs, bei dem ich mich davon überzeugte, dass Les halbwegs in Ordnung war, ließ ich mich mit Phil von Stacey auf dem schnellsten Weg zurück zur Federal Plaza fliegen.
Mister High hatte sich gemeldet und berichtet, dass es Neuigkeiten im Zusammenhang mit Cercyon gab.
Für uns war das Grund genug, uns auf die Socken zu machen und uns vom Chef persönlich unterrichten zu lassen.
***
»Jerry, Phil, ich bin froh, euch unversehrt zu sehen«, begann er, kam dann aber gleich zum Thema.
»Ich hatte eben Besuch aus Washington. Ein Mister Cavendish aus dem Pentagon hat sich tatsächlich persönlich herabgelassen, sich mit dem guten, alten, etwas verstaubten FBI auseinanderzusetzen«, berichtete unser Chef mit einer ironischen Note, die man sehr selten bei ihm hörte.
Sie war wohl ein Zeichen dafür, dass er innerlich deutlich verärgert war.
»Der Herr, der sich gerade einmal drei Minuten Zeit für mich genommen hat, übergab mir ein Papier, das vom Abteilungsleiter Navy persönlich unterzeichnet war.«
Ich pfiff leise durch die Zähne. »Sie haben Post vom Abteilungsleiter Navy persönlich bekommen.«
»Korrekt, Jerry«, bestätigte der AD, »nur das, was der Herr mich wissen ließ, hat mir nicht so gut gefallen.«
Ich sah gespannt zu Phil, der meinen Blick erwiderte. Wir wussten beide nicht, worauf Mr High hinauswollte.
»Nun, der Herr Abteilungsleiter hat offenbar von meiner Anfrage erfahren, die ich im Zusammenhang mit der gesperrten Cercyon -Akte gestellt habe. Sie hat ihn dem Anschein nach wenig amüsiert. Sein Schriftstück besteht aus nur einem Satz: »Weder gegenüber der Presse noch gegenüber einer anderen Öffentlichkeit darf das Wort Cercyon verwendet werden.«
»Meine Güte, was ist denn das für eine seltsame Geheimniskrämerei?«, fragte ich verwundert.
»Ich weiß es nicht – noch nicht«, erwiderte der Assistant Director mit fester Stimme. »Assistant Director Homer kümmert sich in Washington persönlich um die Angelegenheit«, erklärte er. »Aber es gibt auch gute Nachrichten. Hier, das ist schon besser.« High griff nach zwei dunkelgrünen Plastikheftern, auf denen das FBI-Logo prangte, und gab jedem von uns einen in die Hand.
Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass es sich um einen Bericht unseres Labors handelte. Ich überflog die Zeilen, murmelte den einen oder anderen Satz halblaut vor mich hin. Was unsere Kollegen herausgefunden hatten, war allerhand. Die eine Neuigkeit war zu erwarten gewesen: Die Kugel, mit der man den Hund im Garten des Instituts erschossen hatte, stammte aus der gleichen Waffe wie die vier Kugeln, die Dr. Everett Shaw getroffen hatten. Das machte es noch wahrscheinlicher, dass das Blut an der Hundeschnauze vom Täter stammte. Darunter wurde auf die Folgeseiten verwiesen, und die waren eine echte Überraschung. Das Labor hatte es fertiggebracht, das Blut an der Schnauze des Hundes einer Person zuzuordnen – und das passte wie die Faust aufs Auge ins Gesamtbild.
Alfie Daffoyle hieß der Mann, und der Ausdruck aus einer Computerdatenbank samt Foto, der dem Bericht bereits beigeheftet war, lieferte uns den Beweis: Der Mann, den wir eben festgenommen hatten, war Alfie Daffoyle, ein Ex-Marine, der unehrenhaft entlassen worden war, unter anderem wegen Drogenmissbrauchs.
»Sieht jetzt noch übler für Mister Daffoyle aus«, fasste Phil zusammen.
***
Das SWAT-Team hatte den Einsatz offiziell beendet. Sowohl der Festgenommene als auch Les Bedell im Haus gegenüber waren von Sanitätern versorgt worden. Les war schon auf dem Weg in ein Krankenhaus, denn die Splitter in seinem Fleisch mussten fachmännisch entfernt werden. Ihm winkten ein paar dienstfreie Tage.
Alfie Daffoyle hatte einen Streifschuss an der Hüfte abbekommen. Die Blutung war inzwischen gestillt, er war
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