Jerry Cotton - 2916 - Das Marlin-Projekt
flogen in alle Richtungen davon.
Obwohl ich geistesgegenwärtig reagierte, konnte ich den Jaguar nicht ganz unter Kontrolle halten.
»Phil! Festhalten!«, schrie ich. Der Streifenwagen war immer noch in Bewegung, ein Ausweichen war nicht mehr möglich. Mit über 100 Sachen raste ich gegen den Kofferraum des Pkw, der nur noch Schrottwert hatte. Unsere Airbags explodierten und bliesen sich mit einem lauten Knall auf. Mein Jaguar hob vom Boden ab und für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich das Gefühl, alles in Zeitlupe zu erleben.
Diese Illusion endete in einem großen Reifenstapel, der vor der Mauer einer Autotuner-Werkstatt aufgetürmt war und uns in diesem Moment vielleicht das Leben rettete. Als der Wagen zum Stillstand kam, war nichts zu hören als ein Zischen aus dem Motorraum, wo ein Schlauch geplatzt war, aus dem Wasserdampf stob.
»Alles klar, Partner?«, röchelte ich mehr, als dass ich sprach.
Neben mir hörte ich, wie Phil sich räusperte.
»Alter, ich hoffe, die Frage ist nicht ernst gemeint«, kam es zurück.
»Nein, Mann. Nicht ernst gemeint.«
***
Weder Phil noch ich hatten bei diesem Crash etwas Ernstes abbekommen. Auch die beiden Cops, die die Straßensperre errichtet hatten, waren mit dem Schrecken davongekommen. Und selbst mein geliebter roter Flitzer sah nicht halb so mitgenommen aus, wie ich es zunächst befürchtet hatte.
Mr High hatte sofort angeordnet, dass wir uns in ärztliche Behandlung begeben sollten, zumindest sollten wir uns checken lassen. Was solche Dinge anging, war Mr High wirklich von der ganz alten Schule und ließ nicht mit sich reden. Danach sollten wir – für den Fall, dass die Docs uns grünes Licht gaben – in sein Büro kommen, wo er die Ankunft von Assistant Director Homer erwartete.
Alles Weitere veranlasste er; wir sollten nur auf die Kollegen warten, die uns abholen und ins Krankenhaus bringen sollten.
Und so kam es, dass unsere Kollegen Fred Nagara und Ruby O’Hara die FBI-Agents waren, die sich auf dem schnellsten Weg aufmachten, um sich Alfie Daffoyles Wohnung jetzt doch einmal ganz genau anzusehen. Schließlich wussten wir bisher nichts über die Hintergründe seiner Erschießung auf offener Straße. Und in welcher Beziehung er zu den Männern stand, die uns eben abgehängt hatten und jetzt den Koffer spazieren fuhren, den Daffoyle im Institut gestohlen hatte, konnten wir nur raten.
Die beiden Cops hatten kurz nach dem großen Crash nicht nur Kollegen angefunkt, die eine sofortige Großfahndung nach den Flüchtigen auslösten, sondern auch dafür gesorgt, dass Uniformierte vor Daffoyles Wohnungstür dafür sorgten, dass sich keine Unbefugten dort Zutritt verschafften.
Fred und Ruby ließen ihre FBI-Marken aufblitzen und durften natürlich sofort passieren.
»Mann, hier stinkt’s ja wie in einer Whiskey-Bar«, beschwerte sich Ruby, die noch im Türrahmen stand, während sie ihre Einmal-Handschuhe überstreifte. Fred hatte sein kleines Tatortbesteck, wie er es nannte, schon angelegt: Mundschutz, um nicht unwillentlich womöglich wertvolle DNA-Spuren zu kontaminieren, Handschuhe und Plastiküberzieher für die Schuhe. Ohne ein Wort zu sagen, zeigte er mit ausgestrecktem Arm auf die Reste einer Viertelgallonen-Flasche Whiskey, die dem Geruch nach zu urteilen erst vor kurzem zerbrochen war.
»Da war aber jemand nicht zimperlich«, war sein erster Kommentar. »Wer auch immer hier was auch immer gesucht hat – er hat es nicht auf Anhieb gefunden.«
Fred und Ruby waren kurzfristig von einem anderen Fall abgezogen worden und deshalb nur oberflächlich im Bilde über die Vorgänge der letzten zwei, drei Tage. Deshalb war ihnen auch nicht klar, wonach genau sie suchen sollten.
Offensichtlich war, dass hier jemand etwas gesucht hatte. Denn es bot sich das typische Tatortbild eines Einbruchs. Sämtliche Schubladen waren rausgerissen, ausgeleert und dann achtlos hingeworfen worden. Sämtliche Kleidungsstücke, fast ausschließlich Army-Sachen, lagen verstreut auf dem Boden. Sogar die Matratze auf dem Bett lag schief und war mehrfach kreuz und quer aufgeschlitzt worden, sodass kleine Schaumstofffetzen den Boden bedeckten.
Fred zückte sein kleines digitales Aufnahmegerät und sprach seine ersten Eindrücke ins Mikro. Zum Beispiel, dass die Eingangstür kaum zu erkennende Einbruchspuren aufwies, dass hier offenbar jemand etwas gesucht hatte und dabei ziemlich rücksichtslos vorgegangen war.
Ruby hatte sich einen Stapel Papiere gegriffen, der vom
Weitere Kostenlose Bücher