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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Königs
    Der aussätzige König kehrte siegreich zurück, während Saladin mit knapper Not auf einem Kamel entkam. Aber noch immer war der Sultan Herr über Ägypten und Syrien und sollte schon bald neue Heere aufstellen.
    Bei einem Einfall in Saladins Syrien geriet Balduin 1179 in einen Hinterhalt, sein Pferd scheute, und er entkam nur dank des mutigen Einsatzes seines alten Kronfeldherrn, der sein Leben gab, um den jungen König zu retten. Sobald er seinen charakteristischen Mut wiedergefunden hatte, führte er seine Truppen gegen Saladins Stoßtrupps. In der Nähe des Flusses Litani wurde er vom Pferd abgeworfen und geriet in eine peinlich bedrohliche Lage: Wegen seiner zunehmenden Lähmung konnte er nicht wieder auf sein Pferd steigen. Ein Ritter musste ihn vom Schlachtfeld tragen. Da man damals glaubte, Lepra könne durch Geschlechtsverkehr übertragen werden, konnte der junge König niemals heiraten, und nun war er nicht einmal mehr imstande, sein Heer zu führen. Seine persönliche Notlage – und die Notwendigkeit, einen neuen starken König aus Europa zu holen – offenbarte er Ludwig VII. von Frankreich: »Des Gebrauchs eines Gliedes beraubt zu sein ist wenig hilfreich für die Ausübung der Regierungsgeschäfte. Könnte ich doch von der Krankheit Naamans geheilt werden, aber ich habe keine Elisa gefunden, mich zu heilen. Es ist unpassend, dass die Macht in einer so schwachen Hand liegt, wenn arabische Angriffe die Heilige Stadt bedrängen.« Je kränker der König wurde, umso heftiger tobten die Machtkämpfe. Dem Verfall des Königs entsprach der politische und moralische Niedergang. Als Graf Raimund von Tripolis und Prinz Bohemund von Antiochia mit einer Reiterschwadron auf die Stadt zuritten, vermutete der König verärgert einen Staatsstreich und versuchte Zeit zu gewinnen, indem er erneut einen Waffenstillstand mit Saladin schloss.
    Als der Patriarch starb, überging Agnes Wilhelm, den Erzbischof von Tyrus, und ernannte Heraklius von Cäsarea, der angeblich ihr Liebhaber war. Dieser klerikale Gigolo, der üppige Seide liebte, vor Juwelen glänzte und von einer Wolke teuren Parfüms umgeben war, hielt sich Paschia de Riveri, die Frau eines Tuchhändlers, als Mätresse. Sie zog nun nach Jerusalem und gebar ihm sogar eine Tochter: Jerusalemer nannten sie Madame la Patriarchesse.
    Der König würde bald sterben. Agnes musste die Nachfolge regeln.
    Guido: Erbe mit Makeln
    Daher arrangierte Agnes eine Ehe zwischen der Schwester und Erbin des Königs, Sibylla, und Guido von Lusignan, dem attraktiven 27-jährigen Bruder ihres aktuellen Liebhabers, des Kronfeldherrn des Königreichs. Prinzessin Sibylla, eine junge Witwe, die einen Sohn aus erster Ehe hatte, war die Einzige, die sich über diese Partie freute. Die meisten Barone fanden ihren neuen Mann weder erfahren noch vornehm genug, um Jerusalems existentielle Krise zu meistern. Baron Guido, nun Graf von Jaffa und Askalon, stammte zwar aus einer angesehenen Adelsfamilie aus dem Poitou, aber seine Autorität ließ zu wünschen übrig. Er spaltete das Königreich in einer Zeit, in der es dringend Geschlossenheit brauchte.
    Rainald von Kerak brach den Waffenstillstand mit Saladin, indem er Pilgerkarawanen auf dem Weg nach Mekka überfiel. Für einen muslimischen Herrscher gab es sicher keine heiligere Pflicht als den Schutz des Hadsch. Saladin brannte vor Zorn. Als Nächstes rüstete Rainald eine Flotte aus, fiel in das Rote Meer ein und landete an der Küste unweit von Mekka und Medina. Den Krieg in Feindesland zu tragen war ein imposantes, aber auch gefährliches Unterfangen. Nachdem Saladin Rainald zu Wasser und zu Land besiegt hatte, befahl er, den gefangenen fränkischen Seeleuten außerhalb Mekkas öffentlich die Kehle durchzuschneiden. Anschließend stellte er ein weiteres Heer in seinem stetig wachsenden Reich auf. Was Rainald anging, so schwor Saladin, das Blut des »Tyrannen von Kerak« zu vergießen.
    Als Balduin an einem Fieber erkrankte und sein Aussatz so stark wurde, dass »die Extremitäten seines Körpers völlig zu verfaulen anfingen und Hände und Füße ihm den Dienst versagten«, ernannte er Guido zum Regenten, behielt aber Jerusalem als Königsgut für sich. [148] In diesem Aufstieg konnte Guido sich nur sonnen, bis Saladin im September 1183 nach Galiläa einfiel. Guido brachte 1300 Ritter und 15 000 Fußsoldaten in der Nähe der Sephoriaquelle in Stellung, war aber zu ängstlich – oder unfähig – für einen Angriff auf Saladin, der

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