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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Anemonen, mit weiten Kettenhemden schimmernd wie Teiche und glänzenden Schwertern weiß wie Bäche, mit gefiederten Pfeilen blau wie Vögel und gebogen wie Zweige, mit Helmen leuchtend wie offene Kamillenblüten, mit Helmen wie Blasen auf einem Meer von Panzerrüstungen …
    Im Morgengrauen griff Saladin an. Zu Pferd führte er das Zentrum an, begleitet von seinem jungen Sohn Afdal und, wie immer, geschützt von seiner Leibgarde treu ergebener Mamelucken (Sklavensoldaten), deckte die Franken mit einem Pfeilhagel ein und lenkte den Sturm seiner Reiter und berittenen Bogenschützen so, dass sie die stark gepanzerten Franken in Schach hielten. Für Guido hing alles davon ab, den Schutzschild aus Infanteristen um seine Ritter zu halten; für Saladin kam es darauf an, gerade diese Truppenteile voneinander zu trennen.
    Als der Bischof von Akko das Wahre Kreuz vor den König hielt, wehrte Guidos Heer den ersten Ansturm ab, aber schon bald flohen die durstigen fränkischen Soldaten auf höher gelegenes Gelände und ließen die Ritter in exponierter Lage zurück. Guidos Ritter setzten zum Sturm an. Als Raimund von Tripolis und Balian von Ibelin auf die Truppen des Sultans zugaloppierten, befahl Saladin seinem Neffen Taki al-Din, der den rechten Flügel befehligte, die Reihen zu öffnen: Die Kreuzritter galoppierten durch. Sofort schlossen sich die muslimischen Reihen wieder und zogen das Netz weiter zu. Ihre überwiegend armenischen Bogenschützen überzogen die Franken mit einem Pfeilregen, »einem Heuschreckenschwarm gleich«, zielten auf die Pferde, holten die Ritter herunter: »und die Löwen unter ihnen verwandelten sich in Igel«. Als sich Guidos Gefechtsordnung an diesem sengend heißen Tag auflöste, blieb seinen Soldaten ohne Pferde in exponierter Lage, von quälendem Durst und von dem infernalisch brennenden Gestrüpp geplagt, nichts anderes übrig, als zu sterben, die Flucht zu ergreifen oder sich zu ergeben.
    Guido zog sich auf die Hörner von Hattin zurück und stellte sein rotes Zelt auf. Seine Ritter umringten ihn zum letzten Gefecht. Saladins Sohn Afdal erinnerte sich: »Während der König der Franken sich mit seiner kleinen Schar auf den Hügel zurückzog, trugen sie einen furchtbaren Angriff gegen die Muslime ihnen gegenüber vor und warfen sie bis zu meinem Vater zurück.« Einen Augenblick lang sah es so aus, als bedrohte der fränkische Kampfesmut Saladin selbst. Afdal sah die Bestürzung seines Vaters: »er hatte sich aschgrau verfärbt, raufte sich den Bart und stürmte vor mit dem Ruf: ›Nieder mit der Lüge des Dämons!‹«. Daraufhin setzten die Muslime zum Gegenangriff an und »jagten die Franken auf den Hügel. Als ich die Franken zurückweichen und die Muslime nachsetzen sah, schrie ich vor Freude: ›Wir haben gesiegt!‹« Aber vom Durst getrieben, führten sie einen zweiten Angriff »und warfen die Muslime wieder bis zu meinem Vater zurück«. Saladin sammelte seine Männer, die Guidos Angriff erneut abwehrten. Wieder schrie Afdal: »Wir haben gesiegt!«
    Aber Saladin deutete auf das rote Zelt und herrschte ihn an: »Schweig! Wir haben sie erst dann besiegt, wenn das Zelt dort gefallen ist.« In diesem Moment sah Afdal das Zelt fallen. Der Bischof von Akko wurde getötet, das Wahre Kreuz erobert. Guido und seine Ritter waren so erschöpft, dass sie rund um das Zelt hilflos in ihrer Rüstung am Boden lagen. Afdal schilderte: »der Sultan sprang vom Pferd, warf sich nieder, um Gott zu danken, und weinte vor Freude«.
    Saladin hielt im Vorraum seines prachtvollen Zelts Hof, das noch aufgestellt wurde, als die Emire ihre Gefangenen brachten. Sobald das Zelt aufgestellt war, empfing er den König von Jerusalem und Rainald von Kerak. Guido war so ausgetrocknet, dass Saladin ihm ein Glas Scherbet anbot, der mit Schnee vom Berg Hermon gekühlt war. Der König stillte seinen Durst und reichte das Glas Rainald, worauf Saladin sagte: »Ich habe dir nicht erlaubt, ihm zu trinken zu geben, so habe ich ihm damit auch nicht das Leben zugesichert.« Rainald stand also nicht unter dem Schutz arabischer Gastfreundschaft.
    Saladin ritt aus, um seinen Männern zu gratulieren und das Schlachtfeld zu inspizieren; die Glieder der Gefallenen lagen nackt »in Stücken verstreut über den Kampfplatz, zerfleischt und aus den Gelenken gerissen, die Köpfe gespalten, die Hälse abgehauen, die Lenden zerstückelt …, die Augen ausgedrückt, die Bäuche aufgeschlitzt, Haare von Blut gefärbt, das Innerste verwundet«

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