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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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– das Gemetzel mittelalterlicher Schlachten. Nach seiner Rückkehr rief der Sultan Guido und Rainald wieder zu sich. Der König musste im Vorraum bleiben, während Rainald hineingebracht wurde. »Gott hat mich über dich siegen lassen«, sagte Saladin. »Wie oft hast du geschworen und deinen Schwur gebrochen?«
    »So ist es eben Brauch unter den Königen«, erwiderte Rainald aufsässig.
    Saladin bot ihm an, zum Islam überzutreten. Als Rainald verächtlich ablehnte, sprang der Sultan auf, zog sein Krummschwert und schlug ihm den Arm an der Schulter ab. Den Rest besorgte die Leibgarde. Sie schleiften den enthaupteten Rainald an den Füßen an Guido vorbei und warfen ihn aus dem Zelt.
    Der König von Jerusalem wurde hineingeführt. »Es ist nicht üblich, dass Könige Könige töten«, erklärte Saladin, »aber dieser Mann hat die Grenzen überschritten, darum hat er erlitten, was er erlitten hat.«
    Am nächsten Morgen kaufte Saladin seinen Männern alle gefangenen Tempelritter und Hospitaliter für jeweils 50 Dinar ab. Den christlichen Kriegern bot er an, zum Islam überzutreten, aber nur wenige gingen darauf ein. Saladin forderte Sufis und islamische Gelehrte auf, sich freiwillig zu melden, um alle diese Ritter zu töten. Die meisten drängten sich um dieses Privileg, manche ernannten allerdings Stellvertreter aus Furcht vor Spott, falls sie diese Aufgabe verpatzen sollten. Unter seinem Baldachin beobachtete Saladin dieses amateurhafte, blutige Gemetzel, das nun die verbliebene Macht Jerusalems vernichtete. Die Leichen ließ man liegen, wo sie hinfielen. Noch ein Jahr später war das Schlachtfeld »übersät mit Gebeinen«.
    Den König von Jerusalem und das Wahre Kreuz, das kopfüber an einer Lanze hing, schickte Saladin mit so vielen Gefangenen nach Damaskus, dass »dreißig und vierzig an einem Seil von einem einzigen Ritter geführt« wurden. Fränkische Sklaven kosteten nur drei Dinar, einer wurde sogar im Tausch gegen ein Paar Schuhe verkauft. [110]
    Der Sultan zog weiter, um auch den Rest von Outremer zu erobern, nahm die Küstenstädte Sidon, Jaffa, Akko und Askalon ein, scheiterte aber an Tyrus, da der tapfere Konrad, Marquis von Montferrat (dessen Bruder kurz zuvor Sibylla geheiratet hatte), gerade noch rechtzeitig eintraf, um diese strategisch wichtige Hafenfestung zu retten. Saladins Bruder und ägyptischer Vizekönig, Safadin, riet ihm, stattdessen umgehend gegen Jerusalem vorzurücken, um die Heilige Stadt einzunehmen, bevor er etwa noch krank würde: »Wenn du heute Nacht an einer Kolik stirbst, wird Jerusalem in den Händen der Franken bleiben.«
    Saladins Belagerung: Gemetzel oder Kapitulation?
    Am Sonntag, dem 20. September 1187, kesselte Saladin Jerusalem ein, schlug zunächst sein Lager im Westen vor dem Davidstor auf, verlegte es später aber nach Nordosten, wo Gottfried die Mauern erstürmt hatte.
    Die Stadt war voller Flüchtlinge, aber es waren nur noch zwei Ritter da, die unter dem Patriarchen und den beiden Königinnen von Jerusalem, Sibylla und Maria – die Witwe König Amalrichs, die mittlerweile mit Balian von Ibelin verheiratet war –, kämpfen konnten. Nur mit Mühe trieb Heraklius fünfzig Männer für die Bewachung der Stadtmauern auf. Zum Glück traf Balian von Ibelin unter Saladins sicherem Geleit ein, um seine Frau, Königin Maria, und ihre Kinder zu retten. Balian hatte Saladin versprochen, nicht zu kämpfen, aber die Jerusalemer flehten ihn nun an, das Kommando zu übernehmen. Da Balian nicht ablehnen konnte, entschuldigte er sich in einem Brief von Ritter zu Ritter bei Saladin, der ihm diesen Wortbruch verzieh. Der Sultan schickte sogar eine Eskorte für Maria und ihre Kinder. Er schenkte ihnen juwelenbesetzte Kleider, lud sie zum Essen ein, setzte die Kinder auf seine Knie und weinte, weil er wusste, dass sie Jerusalem zum letzten Mal sahen. »Die Dinge dieser Welt sind uns nur geborgt«, sinnierte er.
    Balian schlug alle Jungen, die über 16 Jahre alt waren, und dreißig Bürger zu Rittern, bewaffnete sämtliche Männer und organisierte Ausfälle. Als Saladins Angriff begann, beteten die Frauen in der Grabeskirche, rasierten sich zur Buße die Haare ab, und Mönche und Nonnen zogen barfuß an den Stadtmauern entlang. Bis zum 29. September untergruben Saladins Sappeure die Stadtmauern. Die Franken bereiteten sich darauf vor, als Märtyrer zu sterben, aber Heraklius brachte sie mit dem Einwand davon ab, dass sie damit die Frauen dem Schicksal überließen, Haremssklavinnen

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