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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Existenz. Ihr fragt mich, wonach mich verlangt; meine Antwort ist: Jerusalem.« 1851 äußerte der aufstrebende Politiker Disraeli die Überzeugung, dass es »sowohl gerecht als auch machbar« sei, die Juden wieder in ihrem Land anzusiedeln, das man den Osmanen abkaufen könne.
    Disraeli behauptete, Alroys Abenteuer seien »das Vorbild für sein eigenes Streben«, tatsächlich aber war er viel zu ehrgeizig, um seine politische Zielsetzung für irgendeine jüdische Sache zu gefährden: Er wollte Premierminister des größten Weltreichs auf Erden sein. Mehr als 30 Jahre später, als er auf der Höhe seiner politischen Laufbahn angelangt war, verhalf er den Engländern zu beträchtlichem Einfluss im Nahen Osten, indem er in geschickten Vertragsverhandlungen Zypern für Großbritannien gewinnen konnte und die Aktienmehrheit am Suezkanal kaufte. [145]
    Nicht lange, nachdem Disraeli in die Heimat zurückgekehrt war, um seine politische Laufbahn anzutreten, wurde Jerusalem von einem albanischen Heerführer, der über Ägypten regierte, eingenommen.

36
    Albanische Eroberung
    1830 – 1840
    Ibrahim der Rote
    Im Dezember 1831 marschierten ägyptische Truppen durch die Stadt, während die Einwohner »mit Festbeleuchtung, Tanz und Musik fröhlich in den Straßen feierten. Fünf Tage lang waren Muslime, Griechen, Franziskaner, Armenier und sogar Juden in festlicher Stimmung.« Aber schon begannen sich die Muslime Sorgen zu machen beim Anblick der ägyptischen Soldaten, die »in ihren eng anliegenden Hosen und mit furchtbaren Waffen und Musikinstrumenten nach europäischer Manier in Reih und Glied marschierten«.
    Herr über Jerusalem war jetzt der albanische Feldherr Mehmed Ali, Begründer einer Dynastie, die in Ägypten noch an der Macht war, als der Staat Israel mehr als hundert Jahre später gegründet wurde. Dieser Mann, der heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist, bestimmte 15 Jahre lang das politische Geschehen im Nahen Osten und eroberte fast das gesamte Osmanische Reich. Mehmed Ali wurde im gleichen Jahr wie Napoleon als Sohn eines Tabakhändlers in einer Region geboren, die heute zu Griechenland gehört, und er wurde von seinen Zeitgenossen als Napoleon des Orients angesehen. »Gleichermaßen ausgezeichnet durch militärisches Genie, war beiden Feldherren darüber hinaus unersättlicher Ehrgeiz und unbändiger Tatendrang gemeinsam.« Der weißbärtige Albaner, der sich, mittlerweile in den Sechzigern, stets schlicht mit einem weißen Turban, gelben Pantoffeln und einem blaugrünen Gewand zu kleiden pflegte und ständig an einer eineinhalb Meter hohen, mit Diamanten besetzten Pfeife aus Gold und Silber paffte, hatte »tatarische Gesichtszüge mit hohen Wangenknochen«, und in seinen »klugen dunkelgrauen Augen brannte ein eigenartiges wildes Feuer«. Als Zeichen seiner Macht diente ein Krummsäbel, den er stets bei sich trug. Er war rechtzeitig in Ägypten eingetroffen, um sich mit seinen albanischen Soldaten im Kampf gegen Napoleon auf die Seite der Osmanen zu schlagen. Als die Franzosen abrückten, machte er sich das Machtvakuum zunutze und nahm die Zitadelle in Kairo in Besitz. Dann berief er seinen Sohn Ibrahim (manche halten ihn auch für seinen Neffen) zu sich, der die mameluckische Führung unter dem Vorwand einer Militärfeier versammelte und niedermetzeln ließ. Anschließend zogen die Albaner plündernd und vergewaltigend durch die Straßen von Kairo. Dennoch wurde Mehmed Ali vom Sultan zum Gouverneur von Kairo ernannt. Er brauchte nur vier Stunden Schlaf am Tag und behauptete, er habe erst im Alter von 45 Jahren lesen gelernt. Jeden Abend las ihm seine Lieblingskonkubine aus den Werken von Montesquieu oder Machiavelli vor. Zielstrebig trieb er die Bildung einer 90 000 Mann starken ägyptischen Armee nach europäischem Vorbild voran und baute einen gut organisierten Flottenverband auf.
    Anfangs nahm der osmanische Sultan Mahmut II. nur zu gern die Unterstützung dieser effizienten Armee in Anspruch. Als die Wahabiten, angeführt von der Al-Saud-Dynastie, Mekka einnahmen, bat er Mehmed Ali angesichts dieser Demütigung um Hilfe. Der Albanier eroberte Mekka pflichtschuldig zurück und schickte Abdullah al-Sauds Kopf nach Istanbul. [190] Als sich die Griechen 1824 gegen den Sultan erhoben, schickte Mehmed Ali seine Truppen, die Griechenland eine vernichtende Niederlage zufügten. Das wiederum schreckte die europäischen Mächte derartig auf, dass sich die Briten, Franzosen und Russen 1827 zusammentaten und

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