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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Orient mit seinen grausamen, aber unfähigen Türken, den klagenden Juden und den unzivilisierten, aber wildverwegenen Arabern, die sich gern in Gruppen in malerischer biblischer Pose präsentierten. Chateaubriands Buch war so erfolgreich, dass es ein neues literarisches Genre begründete und sogar sein Diener Julien sich ermutigt sah, seine eigenen Reiseerinnerungen aufzuschreiben. [186] In London brachte Sir Sidney Smith mit den großspurigen Berichten über seine levantinischen Abenteuer ein adeliges Fräulein zum Schwärmen – und gab damit Anlass zur bizarrsten aller königlichen Reisen.
    Caroline von Braunschweig und Hester Stanhope: Königin von England und Königin der Wüste
    Prinzessin Caroline, die Noch-Ehefrau des englischen Prinzregenten (später König Georg IV.), war sehr angetan von dem schneidigen Smith und lud seine Cousine, Lady Hester Stanhope, die Nichte von Premierminister William Pitt dem Jüngeren, häufig zu sich ein, um ihre anstößige Affäre zu bemänteln.
    Lady Hester hasste die vulgäre und lüsterne Prinzessin Caroline, die sich vor Smith produzierte, indem sie »herumtanzte und sich zur Schau stellte wie eine Opernsängerin« und sogar ihre Strumpfbänder unter den Knien befestigte: »eine schamlose Frau, eine richtige Hure! So gewöhnlich! So vulgär!« Carolines Ehe mit dem Prinzregenten war eine Katastrophe, und die »heimliche Überwachung« ihres Liebeslebens brachte zutage, dass sie angeblich in dieser Zeit mindestens fünf Liebhaber, darunter Smith, Lord Hood, der Maler Thomas Lawrence und diverse Dienstboten, gehabt haben soll. Aber immerhin erreichte Smith mit seinen Geschichten von Akko und Jerusalem eines: Beide Frauen beschlossen vollkommen unabhängig voneinander, in den Orient zu reisen.
    Lady Hester war Jerusalem auf ihre eigene Weise schicksalhaft verbunden. Richard Brothers, ein ehemaliger Seefahrer und radikaler Calvinist, hatte sich selbst zu einem Nachfahren König Davids erklärt und behauptet, bis zur Wiederkehr Christi werde er der Herrscher der Welt sein. In seinem Buch Plan for New Jerusalem offenbarte er, dass Gott ihn »als König und Retter der Juden« auserkoren habe und dass die Engländer einer der zehn verlorenen Stämme Israels seien, den er nach Jerusalem zurückzuführen gedenke. Er entwarf Gärten und Paläste für den Tempelberg und Uniformen und Flaggen für seine neuen Israeliten, aber am Ende steckte man ihn ins Irrenhaus. Sein angloisraelitischer Traum war ziemlich überspannt. Dennoch gehörte der Glaube daran, dass die verlorenen Stämme mit ihrer Rückkehr auch das zweite Kommen Christi beschleunigen würden, innerhalb von nur dreißig Jahren in Großbritannien fast zum offiziellen Dogma. Brothers erwartete außerdem eine wunderbare Frau, die vom Himmel herabsteigen und ihn als »Königin der Juden« in seinem Unterfangen unterstützen würde, und Lady Hester Stanhope war diejenige, die er für die Rolle auserkor. Als sie ihn im Newgate-Gefängnis besuchte, prophezeite er ihr, sie werde »dereinst nach Jerusalem gehen und das Volk der Auserwählten zurückbringen!« Tatsächlich stattete sie Jerusalem 1812, in überaus kleidsame orientalische Gewänder gehüllt, einen Besuch ab, aber Brothers’ Vorhersage traf nicht ein. Sie blieb im Nahen Osten – und ihr Ruhm trug dazu bei, das Interesse der Europäer am Orient noch zu steigern. Und vor allem hatte sie die Befriedigung, der verhassten Caroline mit ihrem Besuch in Jerusalem um drei Jahre zuvorgekommen zu sein.
    Diese brach am 9. August 1814, nunmehr 46 Jahre alt, zu ihrer skandalträchtigen Mittelmeerreise auf. Angespornt vom Gedanken an Smith, Stanhope und die diversen Kreuzfahrer unter ihren Ahnen erklärte sie: »Jerusalem gilt mein ganzes Streben.«
    In Akko wurde die Prinzessin vom obersten Minister Suleimans des Gerechten empfangen, »einem Juden, dem ein Auge, ein Ohr und die Nase fehlte« – denn der Pascha hatte nicht nur das Amt von al-Jazzar dem Schlächter übernommen, sondern auch dessen jüdischen Berater Haim Farhi. Zehn Jahre nach dem Tod des Schlächters stellten Carolines höfische Begleiter erstaunt fest, »wie viele Menschen man in den Straßen sieht, die keine Nase haben«. Doch der Prinzessin gefiel der »barbarische Prunk der orientalischen Mauren«. Sie reiste mit einem 26-köpfigen Gefolge an, darunter ein Findling namens Willie Austin, den sie an Kindes statt angenommen hatte (bei dem es sich aber vermutlich eher um ihr eigenes Kind handelte), und ihr neuester

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