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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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besudelt, von der Menge zertrampelt. Einige halb ohnmächtige Pilger wurden von den Soldaten mit Bajonetten getötet, die Wände waren mit Blut und Gehirn von Menschen bespritzt, die wie Ochsen hingestreckt worden waren.
    Die Massenpanik wurde zu einem »verzweifelten Kampf ums Überleben« – wohin er auch blickte, sah Curzon sterbende Menschen. Ibrahim selbst kam nur knapp mit dem Leben davon und verlor mehrmals das Bewusstsein, bevor seine Leibwächter ihre Schwerter zogen und ihm eine Schneise schlugen.
    Überall in der Kirche, »selbst auf dem Salbungsstein, türmten sich die Leichen«. Ibrahim gab seinen Männern vom Kirchhof aus »Anweisungen, die Leichen fortzuschaffen und diejenigen aus der Kirche zu holen, in denen noch Leben zu sein schien«. Vierhundert Pilger fanden den Tod. Als es Curzon endlich gelang, aus der Kirche zu entkommen, standen manche Körper »aufrecht, obwohl sie tot waren«.
    Ibrahim: der Bauernaufstand
    Während sich die Nachricht von der erschütternden Katastrophe in der christlichen Gemeinde verbreitete, riefen die Familien von Jerusalem, Hebron und Nablus zum Aufstand auf. Am 8. Mai griffen 10 000 bewaffnete Fellachen Jerusalem an, wurden aber von Ibrahims Truppen zurückgeschlagen. Was am 19. Mai geschah, erinnerte an die Eroberung Jerusalems durch David: Die Bewohner des Dorfes Silwan am Fuße der Stadt Davids zeigten den Aufständischen einen geheimen Mauertunnel, durch den diese in die Stadt gelangten und das in der Südmauer gelegene Dungtor öffneten. Die Bauern brandschatzten die Basare, und Ibrahims Soldaten trieben sie auseinander, nur um sich gleich darauf an den Plünderungen zu beteiligen. Der Bimbaschi – der Befehlshaber der Garnison – ließ die Jerusalemer Familien, die Husseinis und die Khalidis, festnehmen. Doch mittlerweile trieben 20 000 Bauern ihr Unwesen in den Straßen von Jerusalem und belagerten die Zitadelle. Ein junges amerikanisches Missionarsehepaar, William Thomson und seine hochschwangere Frau Eliza, hatte sich zuvor in seiner Wohnung verkrochen. Nun machte William sich auf, um in Jaffa Hilfe zu holen, und Eliza schloss sich in ihrem Zimmer ein, während draußen »Kanonendonner hallte, Mauern einstürzten, die Nachbarn schrien, die Diener in Angst und Schrecken versetzt waren und ein Massaker drohte«. Sie brachte einen Jungen zur Welt, aber als ihr Mann endlich nach Jerusalem zurückkam, lag sie im Sterben. Bald darauf kehrte er »diesem zugrunde gerichteten Land« den Rücken. [191]
    Ibrahim, der sich nach Jaffa zurückgezogen hatte, kämpfte sich den Weg nach Jerusalem frei und verlor dabei 500 seiner Männer. Am 27. Mai schlug er sein Lager auf dem Berg Zion auf, wo seine Soldaten 300 Aufständische töteten. Bei den Zisternen von Salomo geriet er jedoch in einen Hinterhalt und wurde im Davidsgrab belagert. Der Aufstand flammte, angeführt von den Familien Husseini und Abu Ghosch, von neuem auf. Ibrahim bat seinen Vater um Hilfe.
    Mehmed Ali traf mit 15 000 Mann Verstärkung in Jaffa ein, »ein vornehm aussehender alter Herr«, den Kopf majestätisch geneigt »auf seinem prachtvollen Ross, natürlich, würdevoll und vollkommen in Einklang mit der Rolle eines großen Mannes«. Die Albaner schlugen den Aufstand nieder und eroberten Jerusalem zurück; die Husseinis wurden nach Ägypten verbannt. Die Aufständischen sammelten sich zu einem neuerlichen Angriff, doch Ibrahim der Rote metzelte sie vor Nablus nieder, brandschatzte Hebron, verwüstete das Land, schlug seinen Gefangenen die Köpfe ab – und errichtete in Jerusalem eine Schreckensherrschaft. Nach seiner Rückkehr in die Stadt machte er den Bock zum Gärtner, indem er Jaber Abu Ghosch das Amt des Gouverneurs übertrug, und machte jeden einen Kopf kürzer, der mit einer Waffe angetroffen wurde. Die Mauern waren gesäumt mit den Köpfen der Enthaupteten. Im Kischle-Gefängnis in der Nähe des Jaffators, das nacheinander von den Osmanen, den Briten und den Israelis genutzt wurde, verrotteten die Gefangenen.
    Die reformfreudigen Albaner waren auf die Unterstützung der Europäer angewiesen, wollten sie das Osmanische Reich besiegen. Ibrahim gestattete den Minderheiten der Stadt, ihre Kirchen zu restaurieren: Die Franziskaner bauten das Erlöserkloster wieder auf, die sephardischen Juden die Jochanan-ben-Sakkai-Synagoge, eine der vier Synagogen im jüdischen Viertel, und die aschkenasischen Juden schickten sich an, endlich den Bau der 1720 zerstörten Hurva-Synagoge zu vollenden. Obwohl im

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