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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet wurde, fand Weizmann, der schon im Vorfeld des geschichtsträchtigen Ereignisses einen Termin vereinbart hatte, in der Downing Street 10 einen Premierminister vor, der mit tränenfeuchten Augen im Buch der Psalmen las. Lawrence rührte unterdessen bei den Regierungsbeamten in London die Werbetrommel für die Sache der Araber. Faisal hielt sich in Paris auf, um den Franzosen seine Pläne zu unterbreiten. Doch als sich Frankreich und Großbritannien um die Aufteilung des Nahen Ostens stritten, wies Lloyd George mit Nachdruck darauf hin, dass Jerusalem von den Briten eingenommen worden sei: »Die anderen Regierungen haben nur ein paar Negerpolizisten geschickt, die aufpassen sollten, dass wir das Heilige Grab nicht entwenden.«

47
    Die Sieger und ihre Beute
    1919 – 1920
    Woodrow Wilson in Versailles
    Einige Wochen später trafen Lloyd George und der französische Premierminister Georges Clemenceau in London zusammen und teilten vorab schon einmal inoffiziell die Beute untereinander auf. Mit Syrien in der Tasche zeigte sich Clemenceau entgegenkommend:
CLEMENCEAU: »Sagen Sie mir, was Sie wollen.«
LLOYD GEORGE: »Ich will Mosul.«
CLEMENCEAU: »Sie sollen es haben. Noch etwas?«
LLOYD GEORGE: »Ja, ich will noch Jerusalem.«
CLEMENCEAU: »Sie sollen es haben.«
    Im Januar 1919 traf Woodrow Wilson, der erste US-Präsident, der während seiner Amtszeit den amerikanischen Kontinent verließ, in Versailles ein, um gemeinsam mit Lloyd George und Clemenceau die Friedensbedingungen festzulegen. Die Protagonisten aus dem Nahen Osten waren zugegen, um ihre Interessen bei den Siegern geltend zu machen: Faisal, der, in Begleitung von Lawrence angereist, verhindern wollte, dass Frankreich die Kontrolle über Syrien gewann, und Weizmann, der erreichen wollte, dass die Briten in Palästina blieben und die Balfour-Deklaration international anerkannt wurde. Dass Lawrence, in britischer Uniform, aber mit arabischer Kopfbedeckung, überhaupt als Faisals Berater anwesend war, versetzte die Franzosen in Rage, und sie versuchten, ihn von der Teilnahme an der Konferenz auszuschließen.
    Wilson, idealistischer Lehrer aus Virginia und nun demokratischer Präsident und Vermittler und Schlichter auf der internationalen politischen Bühne, drang darauf, dass »jede territoriale Regelung dieser Friedensverhandlungen im Interesse und zum Nutzen der betroffenen Völker« getroffen werden müsse. Er lehnte die geplante kolonialistische Aufteilung des Nahen Ostens entschieden ab. Die Stimmung zwischen den drei Verhandlungsführern war gespannt. Wilson empfand Lloyd George als »aalglatt«. Clemenceau, in die Zange genommen zwischen dem selbstgerechten Wilson und dem landgierigen Lloyd George, fühlte sich, als stehe er zwischen »Jesus Christus und Napoleon Bonaparte«. Am besten kamen noch der joviale Waliser und der zugeknöpfte Amerikaner miteinander aus: Lloyd George bewunderte den Idealismus des Letzteren – vorausgesetzt, die Briten bekamen, was sie wollten. In einem holzgetäfelten, mit Bücherregalen gesäumten Raum in Paris sollten diese drei politischen Größen die Welt gestalten, eine Aussicht, die den zynischen Spötter Balfour erheiterte, während er zusah, wie »diese all-mächtigen, all-unwissenden Männer die Kontinente verteilten«.
    Clemenceaus Forderungen waren ebenso unverfroren wie die von Lloyd George. In einem Gespräch mit Lawrence, auf das Clemenceau sich schließlich doch eingelassen hatte, rechtfertigte er seinen Anspruch auf Syrien mit der französischen Herrschaft über Palästina während der Kreuzzüge. »Ja«, entgegnete ihm Lawrence, »aber die Kreuzzüge sind gescheitert.« Abgesehen davon hatten die Kreuzfahrer niemals Damaskus erobert, Clemenceaus begehrtestes Ziel und das Herzstück aller nationalen Sehnsüchte der Araber. Die Franzosen hofften noch immer auf ein geteiltes Jerusalem nach den Vorgaben des Sykes-Picot-Abkommens, das die Briten jedoch mittlerweile gänzlich verworfen hatten.
    Der US-Präsident, Sohn eines presbyterianischen Pfarrers, hatte die Balfour-Deklaration begrüßt. »Wenn ich mir vorstelle«, hatte er gesagt, »dass ich, ein Pfarrerssohn, werde helfen können, das Heilige Land wieder in die Hände seines Volkes zu geben!« Seine Ansichten waren beeinflusst vom protestantischen Hebraismus, aber auch von seinem Berater Louis Brandeis, einem Juden aus Kentucky, den er an den Obersten Gerichtshof berufen hatte. Brandeis, der als »Anwalt des Volkes«

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