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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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nur zu den Husseinis, [244] sondern auch zu Weizmann und sogar zu Jabotinsky, der ihm »so edel, charmant und kultiviert« erschien wie kein anderer. Weizmann pflichtete ihm bei, dass Jabotinsky »in seinem Auftreten und Verhalten zutiefst unjüdisch« sei, »ziemlich hässlich, aber ungemein attraktiv, eloquent und auf theatralische Weise aristokratisch, mit einem gewissen Anflug von Ritterlichkeit«.
    Die Strategie der Zionisten empfand Storrs allerdings als »reinen Albtraum«, ihr Auftreten erinnerte ihn an das türkische Sprichwort: »Das Kind, das nicht schreit, bekommt keine Milch.« Die Zionisten gewannen schon bald den Eindruck, er habe für ihre Sache nicht viel übrig. Vielen Briten waren Jabotinsky und die russischen Juden, die in paramilitärischer Aufmachung in der Stadt herumstolzierten, ein Dorn im Auge. Sie hielten die Balfour-Deklaration für nicht realisierbar. Ein wohlwollender britischer General drückte Weizmann ein Buch in die Hand – es war seine erste Begegnung mit den Protokollen der Weisen von Zion . [245] »Das finden Sie im Gepäck sehr vieler britischer Offiziere«, warnte er. »Und sie glauben es.« Die Protokolle, die in jenen Tagen noch nicht als Fälschung entlarvt worden waren, fielen in Zeiten, in denen Großbritannien den Zionismus offiziell unterstützte und die jüdischen Kommissare in Russland nach der Pfeife der Bolschewiken tanzten, auf fruchtbaren Boden.
    Storrs, bemerkte Weizmann, sei »geschickt und mit jedermann gut Freund«. Storrs hingegen klagte, er fühle sich von »Pogromen verfolgt« und diese aufsässigen »Samowarzionisten« hätten rein gar nichts mit Disraeli gemein. Als er dem Premierminister von arabischen und jüdischen Beschwerden berichtete, wies ihn Lloyd George zurecht: »Wenn eine der beiden Seiten aufhört, sich zu beschweren, können Sie den Hut nehmen.«
    Obwohl die Araber in Sorge waren wegen der Balfour-Deklaration, blieb es zwei Jahre lang ruhig in Jerusalem. Unter Storrs’ Verwaltung wurden die Mauern und der Felsendom restauriert, Straßenlaternen installiert, der Jerusalemer Schach-Klub gegründet und Abdülhamids Wachturm am Jaffator in die Luft gesprengt. Mehr als alles andere genoss er die Macht, in Jerusalem neue Namen verteilen zu können. »Wenn die Juden auf die Idee kämen, das Hotel Fast in König Salomo umzubenennen, die Araber aber den Namen Sultan Süleyman [der Prächtige] vorziehen würden, wodurch sich jeweils die Hälfte der Bevölkerung ausgeschlossen fühlen würde, könnte man einfach befehlen, es The Allenby zu nennen.« Er gründete nicht nur einen Nonnenchor, den er höchstpersönlich dirigierte, sondern versuchte auch den Streit zwischen den christlichen Konfessionen in der Grabeskirche beizulegen, indem er die Aufteilung des Sultans von 1852 wieder in Kraft setzte. Das stellte die Orthodoxen zufrieden, missfiel jedoch den Katholiken. Bei einem Besuch im Vatikan wurde Storrs vom Papst beschuldigt, Jerusalem durch die Eröffnung gottloser Filmtheater und die Duldung der vielen Prostituierten besudelt zu haben. Den Briten gelang es nie, dem erbitterten Gezänk ein Ende zu setzen. [246]
    Über den Status quo Palästinas war keinerlei Entscheidung getroffen worden, ganz zu schweigen von Jerusalem. Picot wiederholte noch einmal den französischen Anspruch auf Jerusalem. Die Engländer hätten keine Ahnung, murrte er, wie groß die Freude der Franzosen über die Eroberung Jerusalems gewesen sei. »Stellen Sie sich bloß vor, wie es für uns gewesen sein muss, die wir es erobert haben!«, entgegnete Storrs. Nun erbot sich Picot, durch seine Anwesenheit für den Schutz der Katholiken während des Te Deums zu sorgen, aber sein Plan zerschlug sich, weil sich die Franziskaner nicht auf den Vorschlag einließen.
    Als der Bürgermeister unerwartet an den Folgen einer Lungenentzündung starb, bestimmte Storrs dessen Bruder Musa Kazem al-Husseini zum Nachfolger. Doch der imposante neue Bürgermeister, der als Gouverneur osmanische Provinzen von Anatolien bis Jaffa regiert hatte, setzte sich nach und nach an die Spitze der antizionistischen Bewegung. Die arabische Bevölkerung von Jerusalem setzte ihre Hoffnung auf einen großsyrischen Staat unter Faisals Regentschaft. Beim ersten Kongress der muslimisch-christlichen Vereinigung in Jerusalem stimmten die Delegierten für den Anschluss an Syrien. Die Zionisten, die gegen alle Vernunft immer noch felsenfest glaubten, die Araber seien mit ihren Siedlungsplänen einverstanden, bemühten

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