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Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Jerusalem: Die Biographie (German Edition)

Titel: Jerusalem: Die Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Sebag Montefiore
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nach Ägypten zu töten, wo er das jüdische Volk vollständig vernichtete, wie der Historiker Appian schrieb. Die Juden galten nun als Feinde des Römischen Reichs: »Unheilig ist dort alles, was bei uns heilig ist, wiederum bei ihnen erlaubt, was bei uns als unrein gilt«, schrieb Tacitus.
    Roms jüdisches Problem erlebte auch der neue Statthalter Syriens, Aelius Hadrian, der mit Trajans Nichte verheiratet war. Als Trajan plötzlich ohne Erben starb, verkündete seine Kaiserin, er habe auf dem Totenbett einen Sohn adoptiert: Der neue Kaiser war Hadrian, der eine Lösung fand, das jüdische Problem ein für alle Mal zu beenden. Er war ein bemerkenswerter Kaiser, einer der Macher Jerusalems und eines der größten Ungeheuer der jüdischen Geschichte. [64]
    Hadrian: Die Jerusalem-Lösung
    Im Jahr 130 besuchte der Kaiser mit seinem jungen Geliebten Antinous Jerusalem und beschloss, die Stadt bis hin zu ihrem Namen abzuschaffen. Er befahl den Bau einer neuen Stadt anstelle der alten, die nach seiner Familie und Jupiter Capitolinus (dem Gott, der am engsten mit dem Imperium assoziiert wurde) Aelia Capitolina heißen sollte. Zudem verbot er unter Androhung der Todesstrafe die Beschneidung, das Zeichen für den Bund Gottes mit den Juden. Da den Juden klar war, dass der Tempel nach dieser Entscheidung nie wiederaufgebaut würde, litten sie unter dieser Anordnung, während der ahnungslose Kaiser nach Ägypten weiterreiste.
    Hadrian war in Spanien in eine Familie hineingeboren worden, die ein Vermögen mit der Produktion von Olivenöl gemacht hatte, war mittlerweile 54 Jahre alt und offenbar wie geschaffen, das Imperium zu regieren. Er besaß ein fotografisches Gedächtnis, konnte gleichzeitig diktieren, zuhören und beraten, entwarf eigene Bauwerke, komponierte und dichtete. Ständig war er in Bewegung und reiste rastlos durch die Provinzen, um das Reich zu reorganisieren und zu konsolidieren. Sein Entschluss, Trajans hart errungene Eroberungen in Dakien und im Irak aufzugeben, stieß auf Kritik. Ihm schwebte dagegen ein stabiles Reich vor, das durch griechische Kultur geeint war, eine Vorliebe, die bei ihm so ausgeprägt war, dass er den Spitznamen »kleiner Grieche« bekam. (Haar und Bart ließ er sich von eigens dazu ausgebildeten Sklaven mit Lockenstäben in griechischem Stil legen.) Auf einer seiner Kleinasienreisen traf er 123 die Liebe seines Lebens, den jungen Griechen Antinous, der nahezu sein Lebensgefährte wurde. [80] Aber dieser perfekte Kaiser war auch ein unberechenbarer Kontrollfreak. In einem Wutanfall stach er einmal einem Sklaven eine Feder ins Auge, und seine Regentschaft begann und beendete er mit blutigen Säuberungsaktionen.
    Auf den Trümmern des jüdischen Jerusalem plante er nun eine klassische römische Stadt, in deren Zentrum die Verehrung römischer, griechischer und ägyptischer Götter stehen sollte. Ein prachtvoller Haupteingang mit drei Toren, das mit herodianischen Steinen erbaute Neapolistor (heute Damaskustor), öffnete sich auf einen runden Platz mit einer Siegessäule; von dort führten die beiden Hauptstraßen, die Cardines oder Achsen zu den beiden Foren, von denen eins nahe der geschleiften Burg Antonia lag, das andere südlich der heutigen Grabeskirche. Dort errichtete Hadrian seinen Jupitertempel, vor dem eine Aphroditestatue eben auf dem Felsen stand, auf dem Jesus gekreuzigt wurde – möglicherweise eine bewusste Entscheidung, den Judenchristen diese heilige Stätte zu verwehren. Noch schlimmer war, dass Hadrian auf dem Tempelberg ein Heiligtum mit einer gigantischen Reiterstatue von sich plante. [81] Bewusst löschte Hadrian die jüdischen Aspekte Jerusalems aus. Er hatte jenen anderen philhellenischen Propagandisten, Antiochus Epiphanes, studiert und griff dessen Plan wieder auf, in Athen einen Olymptempel zu bauen.
    Am 24. Oktober, an dem die Ägypter den Tod ihres Gottes Osiris feierten, ertrank Hadrians Geliebter Antinous unter ungeklärten Umständen im Nil. Nahm er sich das Leben? Opferten Hadrian oder die Ägypter ihn? War es ein Unfall? Dem ansonsten unergründlichen Hadrian brach es das Herz; er vergöttlichte den Jungen als Osiris, gründete die Stadt Antinopolis und einen Antinouskult und verbreitete im gesamten Mittelmeerraum Statuen, die das anmutige Gesicht und den prachtvollen Körper seines Geliebten abbildeten.
    Auf der Rückreise von Ägypten kam Hadrian durch Jerusalem, wo er vermutlich in einsamer Entscheidung die Grenzen der Aelia Capitolina festlegte. Die

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