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Jessica

Jessica

Titel: Jessica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Lael Miller
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viel daran, die Zeitung zu behalten.
    Jessica hob eine Braue und rührte zierlich in ihrer Kaffeetasse, sodass das Porzellan klang. »Ich denke«, verkündete sie mit fester Stimme, »dass ich die Gazette für meine Nichten behalten möchte.«
    Mr. Calloways Augen wurden hart, aber nur einen Moment lang, dann war sein Ausdruck wieder unergründlich. Auch Mr. Covington hatte diese Fähigkeit besessen, sich rasch zu verstellen. Beide Männer waren Anwälte und somit Angehörige eines Berufs, der in Jessicas Werteskala gleich nach der Prostitution kam.
    Calloway rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her und verriet dadurch - ob er es wollte oder nicht -, wie nervös er plötzlich war.
    Er setzte d ie Tasse ab, warf Alma einen kurzen Blick zu und beugte sich vor, sodass seine Hände locker zwischen den Knien herabhingen. Alma war offensichtlich in Gedanken versunken; wahrscheinlich vermisste sie ihren Mann und ihr Heim oder dachte an die vielen unerledigten Dinge, die zu Hause auf sie warteten.
    Jessica fragte sich, was sie nur tun sollte, wenn Alma auf ihre Ranch zurückgekehrt war. Sie hatte doch noch nie im Leben ein Baby gewickelt oder gefüttert; und sie hatte absolut keine Ahnung, was sie mit den Mädchen anfangen sollte, bis sie vier oder fünf Jahre alt waren. Nur eines wusste sie genau - sie hatte gar keine Wahl.
    Calloway räusperte sich erneut und senkte die Stimme. »Es wurde nie darüber nachgedacht, dass Sie als unverheiratete Frau die Kinder ihres Bruders vielleicht gar nicht selber großziehen möchten. Soweit ich weiß, haben Sie schon eine Zeit lang als Gouvernante g earbeitet und sind in dieser Zeit viel gereist. Des h alb ...«
    Jessica wartete ab und war es zufrieden zu beobachten, wie er sich wand. Aber sie hatte auch eine Vorahnung, was er gleich sagen würde, und ihr Herz flatterte.
    »Ich dachte, dass Sie vielleicht bereit wären, einer offiziellen Adoption zuzustimmen. Meine Klienten sind in der Lage, Ihren Nichten ein gutes Heim zu bieten.«
    »Ihre Klienten?«, unterbrach ihn Jessica scharf. Eines der Babys begann zu weinen, und Alma erhob sich mit einem Seufzer, um sich um das Kind zu kümmern. »Nun, Mr. Calloway, Sie haben mir vorhin den Eindruck vermittelt, dass es sich um einen Beileidsbesuch handelte. Aber ich nehme an, als Nächstes werden Sie mir erzählen, dass Michael Sie zu einem Testamentsvollstrecker ernannt hat.«
    Jessica hatte damit nur eine Vermutung ausgesprochen, aber Mr. Calloways Gesicht verriet ihr deutlich, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Falls sie geschockt war von der Erkenntnis, dass Michael die Verantwortung für die Regelung seine Angelegenheiten seinem schlimmsten Feind übertragen hatte, so zeigte sie es jedenfalls nicht.
    Calloway besaß zumindest die Feinfühligkeit, ein wenig zu erröten, aber sein Augen zeigten einen entschlossenen Blick. »Dr. und Mrs. Parrish sind gute Menschen, Miss Barnes. Aufrechte Bürger, die in der Stadt hoch angesehen sind. Sie haben eine eigene vierjährige Tochter, aber Savannah - Mrs. Parrish - nun, sie hätte gerne noch mehr Kinder.«
    Ein unbehagliches Schweigen senkte sich über den Raum, das nur vom gelegentlichen Knacken des Holzes im Kamin unterbrochen wurde. Ein angenehmer Duft nach Kaffee und Holzrauch hing im Zimmer, und draußen vor den Fenstern zauberte der Schnee eine weiße Märchenlandschaft.
    Jessica brauchte eine Weile, bis sie ihre Stimme wieder unter Kontrolle hatte. »Ich bin mir sicher, dass Ihre Klienten außerordentlich gute Bürger sind«, sagte sie gemessen. »Dennoch habe ich keineswegs die Absicht, die Kinder meines Bruders, die meine einzigen Verwandten sind, an irgendwelche Leute abzugeben, egal, wie wertvoll sie sein mögen. Wenn Sie jetzt Ihre Aufgabe erledigt haben, Sir...«
    Ein Muskel zuckte in Mr. Calloways glatt rasierter Wange, aber er war ein routinierter Anwalt und glättete seine Mimik, ehe Jessica sicher sein konnte, dass sie ihn geärgert hatte. »Es tut mir leid«, sagte er mit einem Blick in die Richtung, in der Alma verschwunden war. »Mir wurde bedeutet...«
    Erst da ging Jessica in ihrer Trauer auf, dass es vielleicht nicht nur Alma gewesen war, die diese Lösung vor g eschlagen hatte, sondern Michael selbst. Vielleicht hatte es ihm noch auf dem Totenbett widerstrebt, seine Kinder ihr zu überlassen. Das schmerzte sie noch mehr als die Tatsache, dass er einen praktisch Fremden damit beauftragt hatte, seinen letzten Willen auszuführen.
    Jessica spürte, wie eine abgrundtiefe

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