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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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haben. Ich weiß, daß ihm die Sache mit der zweiten Waffe keine Ruhe gelassen hat. Er betritt das Haus durch die Küchentür und geht zum Kleiderschrank in meinem Zimmer, wo er den Schuhkarton mit dem Schlüssel zum Vorhängeschloß findet, genau, wie ich es ihm beschrieben hab. Daneben liegt eine Ginseng-Ampulle. Unsichtbar schwimmen die LSD-Micros darin, die ich vor vielen Monden dort hineinfallen lassen hab. Er lächelt und nimmt die Ampulle in die Hand.
    Ein unverwechselbares Geräusch ruft mich nach draußen. Es ist der Eldorado, der langsam die Straße entlangzuckelt. Zum ersten Mal in ihrem Leben parkt Leona am unauffälligen Ende des Beulah Drive. Weder sie noch George oder Betty reden oder bessern ihre Make-ups nach. Sie atmen nicht einmal, sie sitzen einfach unter einer Weide und warten. Niemand, aber auch gar niemand setzt sich über Nancie Lechugas Anweisungen hinweg. Gemeinsam mit den Ladys beobachte ich, wie Lally in sein Auto steigt und davonfährt. Sie folgen in diskretem Abstand. Hinter ihnen schließt sich ein winziger Schlitz in Mrs. Lechugas Vorhang. Sie ist wieder im Amt, Gott segne sie.
    Mom und Pam sind bereits dabei, ihre Hähnchen zu bearbeiten, begleitet von Fahrstuhlmusik, die irgendeinem alten Lied das Leben auskocht. Vor ihnen liegt ein armdicker Stapel Servietten; sie sind naß von ihren Tränen und mit einer Kruste aus Salz und Krümeln überzogen. Es rührt mich, daß ich im Geiste bei ihnen bin, genau wie in alten Zeiten, als unsere gemeinsamen Stunden sich anfühlten, als ob man eine alte Lieblingsplatte auflegt und sich an den Kitzel erinnert, den man beim ersten Hören spürte. Keine von beiden sagt irgendwas von Belang, das ist das Wunderbare daran. Ich hab keine Ahnung, ob das Absicht ist oder genetisch bedingt, daß die Leute sich einfach in ihre bequemen, sinnentlehrten Gewohnheiten zurücklehnen, sobald draußen der Sturm lostobt.
    »Sie haben ja alles umgeräumt seit dem letzten Mal«, sagt Mom.
    »Herr im Himmel, du hast recht«, sagt Pam, »die Kasse war sonst immer da drüben.«
    Kann nicht länger als fünf Minuten gedauert haben, das Umräumen, so selten, wie die alten Mädchen dort weggehen - das ist alles, was mir dazu einfällt. Aber wo ist bloß Vaine? Es geht um Hähnchen, da ist sie doch normalerweise so pünktlich.
    Wie der Wind fliege ich über meine alten Kindheitsorte hinweg, durch Crockett Park und raus zu Keeter's. Als Lally bei Keeter's Corner eintrifft, kann er sich ein Kichern nicht verkneifen; als er dann über das Gelände zur Bude stürmt, hört er schon nicht mehr auf zu lachen, und als er sie schließlich erblickt, heult er geradezu vor Vergnügen, während eine Elefantendosis Halluzinogene seine Wahrnehmung immer mehr verzerrt. Seine letzte kontrollierte Handlung besteht dann, den Schlüssel ins Schloß zu schieben, die Luke zu öffnen und Daddys Gewehr rauszuzerren. Meine alte Dame hat es mir unter der Bedingung vermacht, daß ich es niemals in die Nähe des Hauses bringe. Es mußte alles schnell gehen am Tag, als Daddy verschwand, Mom war wahnsinnig aufgewühlt. Sie hat sich mit dem Kauf von Gartenmöbeln beruhigt - seht zu, wie ihr daraus schlau werdet.
    Das Donnern eines Helikopters schiebt das Acid in Lallys Blutbahn zum Peak, und die gesamte Umgebung verflüssigt sich vor seinen Augen. Da ist er - ein mordlustiger Irrer im Drogenwahn, der frei in unserer Gemeinde herumläuft. Er dreht dem Sonnenlicht, das flach über die Hügel des Escarpments scheint, den Rücken zu, doch von der anderen Seite trifft ihn der Strahl eines Scheinwerfers.
    »Fallen lassen!« bellt eine Stimme. Es ist Vaine mit ihrem SWAT-Team. Sie beschirmt ihre Augen vor dem Staub, den der landende Helikopter aufwirbelt.
    Wie aufgezogen, kreiselt Lally umher, verwirrt umarmt er das Gewehr und verwischt für immer Moms Fingerabdrücke und damit all ihre Sorgen. Dann, als sich Taylor Figueroa mit einem Kameramann aus dem Helikopter duckt, hebt Lally das Gewehr und stößt unirdische Schreie aus. » Mami «, heult er und tastet mit beiden Händen nach dem Abzug. » Mamá! «
    Paß auf, Taylor, ich meine - o mein Gott!
    Lallys Gesicht ist eine Maske, deren Anblick mich in verdammt großes Entzücken versetzt - sein Ausdruck ist für immer eingefroren, während die Kugeln pfeifende Löcher in die Abenddämmerung bohren. Zappelnd hängt sein Körper in der Luft, prasselt stückchenweise zu Boden und schlägt schließlich zuckend und schwer auf. Leona Dunts Eldorado muß einen

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