Jetzt tanzen alle Puppen - Aus dem Alltag einer Comedy-Fachfrau
er uns nicht einfach in den Flurschrank stecken und beizeiten durch ein Klopfsignal rausholen wolle. Als er in der Schublade nach dem Flurschrank-Schlüssel kramte, hab ich gemerkt, dass grobe Gastwirte für feine Ironie nicht zu haben sind.
Zu essen gab’s natürlich nichts. Nach dem Auftritt, beschied uns der Gastwirt, könnten wir ja die Reste vom Buffet essen. Frage mich langsam, ob es eine tausende Jahre alte Fehde zwischen Gastwirten und Künstlern gibt. Das würde auch die Aufgabenteilung von »Brot« und »Spielen« erklären. Während Frau Knecht und ich im Schankraum grimmig vor uns hin froren, hob innen im Saal Turnvater Jahn persönlich das Glas, gedachte der Vorausgegangenen und pries die Schönheit der anwesenden Damen, woraufhin alle Herren aufstanden und ebenfalls ihr Glas zum Toast erhoben. Da dachte ich, dass früher vielleicht nicht alles besser gewesen war, doch irgendwie höflicher. Und dass es die Natur wohl eingerichtet hat, dass wir im Alter schlechter sehen können.
Um halb zehn betraten wir endlich die Arena, Frau Knecht und ich, diesmal direkt vor den schön gedeckten Tischen. Die Turn-Opis und -Omis waren echt süß. Während ich eine Geschichte vorlas und Frau Knecht schön sang, ließ sich einer der Opis langsam und vorsichtig auf seinem Stuhl nach hinten sinken, faltete die Hände, schloss die Augen, zog die Schultern hoch und schmatzte leise und genüsslich. Eine Art Implodieren. Ich mag Opis und Omis, vielleicht mag ich deshalb meinen Vermieter so, Herrn Wertkamp. Der spielt in der letzten Geschichte eine tragende Rolle, obwohl es eigentlich um meinen Nymphensittich Robbi geht.
30 Robbi und die Feuerwehr
»Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort«, dachte ich, als ich um drei Uhr morgens betrunken auf dem Griff meiner Küchenleiter balancierte. Ich balancierte deshalb auf dem Griff, weil die Leiter zu kurz war, um damit auf meine Einbauküche zu klettern. Und ich musste hochklettern, weil mein Nymphensittich Robbi hinter den Schrank gefallen war. Genauer gesagt, hinter den Kühlschrank. Also lag ich morgens um drei betrunken bäuchlings auf meinem Schrank und leuchtete mit der Taschenlampe hinter den Kühlschrank. Dies wäre für zufällig vorbeikommende Besucher gewiss ein lustiger Anblick gewesen, aber Gott sei Dank entscheiden sich die wenigsten für einen Spontanbesuch im Morgengrauen.
Ich leuchtete: Ja, da saß er, der Robbi, auf einem Vorsprung und kreischte mich an. Aus der anderen Ecke der Küche pfiff seine Freundin Klara in heller Aufregung vom Käfig rüber. Die beiden Nymphen schreien mich sehr oft an, gewöhnlich allerdings nicht um drei Uhr morgens. Ihr Schlaf ist ihnen heilig. Meiner leider nicht. Ich habe deshalb viele zärtliche Kosenamen für die Schreihälse entwickelt, z . B. »Terroristen«, »Katzenfutter« oder Sonntag morgens um sieben einfach nur »Halt die Fresse«. Manchmal drohe ich ihnen auch spielerisch mit der Erdnussbutter und zwei Saté-Spießen.
Nymphensittiche sind laut. Und neugierig. Und deshalb saß Robbi jetzt hinter dem Kühlschrank. Eine Stunde später hatte ich zwei Vorrichtungen gebastelt, damit er aus der Gletscherspalte klettern konnte. Ein Geschirrhandtuch, auf das ich mit Honig Leckerchen gegeklebt hatte, und seine Leiter aus dem Käfig. Die Kacke hatte ich extra drangelassen wegen des Wiedererkennungswerts. Nichts. Der Vogel war doof und schrie mich an. Der andere auch. Alle Versuche, Robbi mit einem beherzten Griff zu retten, wurden mit Hacken, Fauchen und Kreischen honoriert. Um vier gab ich auf und ging zu Bett. Ich ließ das Licht an, damit Robbi die Leiter besser sehen konnte. Gekreische im Doppelpack wiegte mich in den Schlaf. In meinen Träumen war ich als moderner Prometheus an einen Felsen gefesselt, während mich Nymphensittiche umkreisten und nach meinem Bier hackten.
Um sieben stand ich auf. In der Küche war die Situation unverändert, nur ein paar Dezibel lauter. Ich hielt mir den schmerzenden Kopf, gab auf und rief den Tiernotdienst an. Als Zeichen meines guten Willens kochte ich Kaffee, nahm zwei Aspirin und putzte mir die Zähne. Nur 2 0 Minuten später klopften zwei Feuerwehrmänner an meine Tür. »Wie, Feuerwehr?«, sagte ich, denn an Verben traute ich mich noch nicht ran. »Ja, Tiernotdienst jehört zur Feuerwehr«, sagte der eine. »Haben Sie eine lange Leiter?«, fragte der andere. »Keller«, nuschelte ich. Zu zweit wankten wir die Stufen hinab, ein Feuerwehrmann blieb oben, »um die Lage zu
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