Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab
Hammerdidaktik stellt sich der Lehrer einfach vor die Klasse und fragt: »Was HAMMER denn die letzte Stunde gemacht?«
Doch nicht nur im Berufsleben machen Sie als Aufschieber Karriere, sondern auch im Privatbereich können Sie wahre Meisterschaft entwickeln. In einer
Zeitungsnotiz war jüngst zu lesen: »Zwei Hundertjährige haben sich nach 79 Jahren Ehe scheiden lassen. Als der Richter fragte, warum sie sichdenn nach so langer Zeit noch trennen möchten, antworteten sie: Wir wollten warten, bis die Kinder tot sind …«
Doch es geht nicht immer so fröhlich zu. Viele beschleicht beim Thema Aufschieben eine drückende Scham. Man darf doch nicht laut sagen, dass man nachts
oft aufwacht, weil einem der Termindruck den Schlaf raubt. Dass man, trotz aller guten Vorsätze, jedes Mal wieder mit dem Rücken zur Wand arbeitet. Dass
es Situationen gibt, in denen man nicht mehr weiter weiß …
Sie sind auf jeden Fall mit diesem Phänomen nicht allein. Gäbe es eine Aufschieber-Partei, könnte sie bei der nächsten Bundestagswahl mit jeder
Volkspartei mithalten. Jedoch gibt es sehr unterschiedliche Wege, mit seinem Aufschiebe-Talent umzugehen. Ich kenne einen Investment Banker, der das Wort
aufschieben gar nicht mehr in den Mund nimmt. Er spricht mit einem amerikanischen Akzent lieber ganz cool von procrastination.
Der Begriff Prokrastination ist seit 1588 im Englischen verbrieft. Er bedeutet, seiner lateinischen Wurzel entsprechend: nach pro morgen crastinus (verschieben).
Marcel Proust verwendet diesen Ausdruck in seinem Epos Auf der Suche nach der verlorenen Zeit , um dem »ewigen Wiederaufschieben« des
Ich-Erzählers, einem schreibgehemmten Schriftsteller, ein alternatives Etikett zu geben.
Unter dem Ehrentitel Prokrastination ist die Aufschieberitis auch zum Gegenstand der Forschung geworden. In den USA beschäftigen sich Wissenschaftler
bereits seit rund 30 Jahren mit der procrastination .
Doch zurück auf unsere Spielwiese. Für mich sind Aufschieber die Pokerspieler des Zeitmanagements. Ich möchte mit diesem Buch Ihr Repertoire an
Zeit-Pokertricks erweitern, damit das Spiel möglichst oft zu Ihren Gunsten ausgeht. Aufschieben ist dennoch ein Genussmittel. Wie bei anderen
Genussmitteln gilt auch hier: In der Dosis liegt das Gift. Ichmöchte niemandem den Spaß am Aufschieben verderben. Sollten Ihnen aber im
Laufe der Zeit die Risiken und Nebenwirkungen Ihrer Aufschieberitis zu heikel geworden sein, würde ich Sie gerne im zweiten Teil mit einer heilsamen
Anschieberitis infizieren …
Test: Habe ich Talent zum Aufschieben?
Bitte kreuzen Sie spontan an, was auf Sie am ehesten zutrifft:
Frage
häufig
manchmal
selten
Ich trenne nicht konsequent zwischen Arbeit und Freizeit.
Ich arbeite eine Sache nicht am Stück zu Ende, sondern fange zwischendurch etwas Neues an oder arbeite an etwas anderem weiter.
Ich beginne eine Arbeit recht kurz vor dem Termin, an dem sie fertig sein muss.
Ich arbeite unter hohem Zeitdruck.
Mir fehlt die Zeit, die Qualität meiner Arbeit in Ruhe zu überprüfen und zu optimieren.
Meine Arbeit wird später fertig als ich es anderen zugesagt habe.
Meine Zeit ist nicht bis ins Detail im Voraus geplant. Ich entscheide eher spontan, was zu tun ist.
Ich habe für mein Aufschiebeverhalten schon große Nachteile in Kauf nehmen müssen.
Auswertung:
Wenn Sie mindestens 3-mal »häufig« angekreuzt haben, dann bringen Sie bereits ein großes Talent zum Aufschieben mit.
Andere könnten das nicht:
Die Kompetenzen der Aufschieber
Keiner fängt mit dem Aufschieben
so schnell an wie wir.
Als Poker-Champions des Zeitmanagements bringen Aufschieber eine Vielzahl von Kompetenzen mit, bei denen das Fußvolk der vorsichtigen
Termin-Planer nur neidisch mit den Ohren schlackert. Hat man zu Ihnen auch schon bewundernd gesagt: »Also, ich könnte das nicht …«
Am besten wird die unglaubliche Leistungsfähigkeit unserer Spezies deutlich, wenn ein paar gewiefte Zeit-Zocker beisammen sitzen und ihre schönsten
Heldengeschichten zum Besten geben. Typischerweise beginnen die Abenteuer mit der Wendung: »Also, das ist ja noch gar nichts …«
Also, das ist ja noch gar nichts. In der Lehrerausbildung habe ich noch halb in Heidelberg gewohnt und in Bonn gearbeitet. Einmal
fuhr ich montags um 5.00 Uhr los, weil ich um 8.00 Uhr eine Lehrprobe hatte. Mit der Vorbereitung war ich natürlich noch nicht fertig, aber ich hatte ja
noch gut zwei Stunden im Auto Zeit. Kurz vor Bonn
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