Jim Knopf und die Wilde 13
seinen großen Sack gepackt. Jim und Lukas begleiteten ihn bis
zur Landesgrenze. Dann verabschiedeten sie sich von ihm, und der Briefträger
fuhr davon.
Als das Postschiff außer Sicht war,
gingen die beiden Freunde zur kleinen Bahnstation hinüber, um nach Emma und
Molly zu sehen.
Jim patschte seiner kleinen Lokomotive
freundlich auf den Kessel, dann drehte er sich nach Lukas um, der schmunzelnd
dabeistand, und sagte: „Sie is’ schon wieder ein bißchen größer geworden seit
vorgestern, find’st du nicht, Lukas?“
„Tja“, nickte Lukas, die Pfeife
zwischen den Zähnen, „sie hat sich prächtig rausgemacht. Aber wenn wir nun mit
Emma wegfahren, was machen wir solange mit Molly?“
„Meinst du, wir könnten sie vielleicht
mitnehmen?“
„Wie du willst, Jim“, antwortete Lukas,
„schließlich ist es ja deine Lokomotive. Aber du weißt, was für Gefahren uns
begegnen können. Und Molly ist noch ein bißchen jung.“
Jim seufzte. Es war eine schwere
Entscheidung. Schließlich meinte er zögernd: „Aber vielleicht is’ es ganz gut,
wenn sie sich an Abenteuer gewöhnt.“
„Gut“, sagte Lukas, „dann nimm sie
mit.“
„Wann fahren wir los?“ erkundigte sich
Jim.
Lukas blickte prüfend zum Himmel
hinauf. Ein sachter Wind hatte seit Mittag angefangen, die dichte Wolkendecke
aufzulockern. Da und dort blickte sogar schon der blaue Himmel hervor.
„Wir werden eine klare Nacht bekommen“,
erklärte Lukas sachverständig. „Der Wind ist günstig, nicht zu stark, nicht zu
schwach. Ich denke, das sollten wir ausnützen und gleich heute abend die Taue
kappen. Bist du einverstanden?“
„In Ordnung, Lukas!“ sagte Jim.
„Gut“, meinte Lukas, „dann wollen wir
an die Vorbereitungen gehen.“
Und das taten sie. Während Lukas Werg
und Teer zum Kalfatern der beiden Lokomotiven fertigmachte, sagte Jim Frau Waas
Bescheid. Sie seufzte ein ums andere Mal, während sie mit Li Sis Hilfe Jims
kleinen Rucksack mit warmen Sachen zum Anziehen vollpackte, damit der Junge
sich nicht erkältete, und noch zehn Taschentücher dazustopfte, damit der Junge
sich auch die Nase immer schneuzen konnte, und Seife, Waschlappen und
Zahnbürste oben drauf legte, damit der Junge sich jeden Morgen und Abend die
Ohren und die Zähne putzte. Die Schachtel mit den Spielen, die die Reisenden
für die lange Fahrt so nötig brauchten, hätte Frau Waas dagegen um ein Haar
vergessen, wenn Li Si nicht daran gedacht hätte.
Jim war inzwischen wieder zur
Bahnstation hinübergegangen, und während Lukas seine Emma kalfaterte, tat er
dasselbe mit Molly. Wie bei der ersten Reise nach Mandala wurden die Türen der
Führerhäuschen sorgfältig verschlossen und alle Ritzen mit Werg und Teer
verstopft, damit kein Tropfen hineinsickern konnte. Dann mußte alles Wasser aus
den Kesseln ablaufen, damit sie hohl waren und die beiden Lokomotiven auf dem
Wasser schwimmen konnten wie leere Flaschen. Schließlich befestigte Lukas mit
Jims Hilfe den Mast auf Emmas Führerhaus, und als das geschehen war, hißten sie
das Segel. Molly bekam keinen Mast; sie sollte lieber an einem festen Seil
hinter Emma hergezogen werden, damit sie nicht verloren ging.
Als die beiden Freunde endlich mit
allen Vorbereitungen fertig waren, begann es bereits Abend zu werden. Sie
wuschen sich gründlich die Hände, die von der Arbeit mit dem Teer ziemlich
schmutzig geworden waren. Dazu benutzten sie natürlich die besondere
Lokomotivführerseife von Lukas. Dann gingen sie zu Frau Waas in die kleine
Küche, um vor ihrer Abfahrt noch einmal gemütlich zu Abend zu essen. Bis der
Tisch gedeckt war, ging Jim noch rasch in seine Kammer und zog seinen
himmelblauen Lokomotivführeranzug an und setzte die Schirmmütze auf. Während
der Mahlzeit konnte er vor Unternehmungslust kaum noch ruhig sitzen und kam
kaum zum Essen, so daß Frau Waas immer wieder sagte: „Jim, mein Liebling, es
wird ja alles ganz kalt. Du verdirbst dir noch den Magen.“
Aber sonst sagte sie nicht viel,
sondern war still oder sorgenvoll. Die bevorstehende Reise erfüllte ihr gutes
Herz mit tausend Befürchtungen.
Die kleine Prinzessin hatte die ganze
Zeit kein einziges Wort mehr gesprochen, sondern war nur immer blasser und
blasser geworden. Sie blickte Jim mit großen, bekümmerten Augen an, und
manchmal zitterte ihre Unterlippe ein wenig. Wenn sie Jim nun vielleicht
niemals mehr wiedersehen würde? Was sollte nur aus ihr werden, wenn ihm etwas
zustieß? Und sie wußte ja noch von damals, als er sie und
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