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Jim Knopf und die Wilde 13

Jim Knopf und die Wilde 13

Titel: Jim Knopf und die Wilde 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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Land eine Lokomotive notwendig?
    Nun, ein Lokomotivführer braucht eben
eine Lokomotive, denn was sollte er sonst führen? Vielleicht einen Fahrstuhl?
Aber dann wäre er ein Fahrstuhlführer. Und ein richtiger Lokomotivführer will
Lokomotivführer sein und sonst gar nichts. Außerdem gab es auf Lummerland auch
gar keinen Fahrstuhl.
    Lukas der Lokomotivführer war ein
kleiner, etwas rundlicher Mann, der sich nicht im geringsten darum kümmerte, ob
jemand eine Lokomotive notwendig fand oder nicht. Er trug eine Schirmmütze und
einen Arbeitsanzug. Seine Augen waren so blau wie der Himmel über Lummerland
bei Schönwetter. Aber sein Gesicht und seine Hände waren fast ganz schwarz von
Öl und Ruß. Und obwohl er sich jeden Tag mit einer besonderen
Lokomotivführer-Seife wusch, ging der Ruß doch nicht mehr ab. Er war ganz tief
in die Haut eingedrungen, weil Lukas sich eben seit vielen Jahren jeden Tag bei
seiner Arbeit wieder schwarz machen mußte. Wenn er lachte — und das tat er oft
— , sah man in seinem Mund prächtige weiße Zähne blitzen, mit denen er jede Nuß
aufknacken konnte. Außerdem trug er im linken Ohrläppchen einen kleinen
goldenen Ring und rauchte aus einer dicken Stummelpfeife.
    Obwohl Lukas nicht besonders groß war,
verfügte er doch über erstaunliche Körperkräfte. Zum Beispiel konnte er eine
Eisenstange zu einer Schleife binden, wenn er wollte. Aber niemand wußte genau,
wie stark er war, weil er Ruhe und Frieden liebte und seine Kraft nie hatte
beweisen müssen.
    Nebenbei war er übrigens auch noch ein
Künstler. Und zwar im Spucken. Er zielte so genau, daß er ein brennendes
Streichholz auf dreieinhalb Meter Entfernung auslöschte. Aber das war noch
nicht alles. Er konnte noch etwas, und das machte ihm auf der ganzen
Welt so leicht keiner nach: Er konnte nämlich einen Looping spucken.
     
    Jeden Tag fuhr Lukas viele Male über
das geschlängelte Gleis durch die fünf Tunnels von einem Ende der Insel zum
anderen und wieder zurück, ohne daß sich jemals etwas Nennenswertes ere ignete. Emma schnaufte und pfiff vor Vergnügen. Und manchmal
pfiff auch Lukas ein Liedchen vor sich hin, und dann pfiffen sie zweistimmig,
was sich sehr lustig anhörte. Besonders in den Tunnels, weil es da so schön
hallte.
    Außer Lukas und Emma gab es auf
Lummerland noch ein paar Leute. Da war zum Beispiel der König, der über das
Land regierte und in dem Schloß zwischen den beiden Gipfeln wohnte. Er hieß
Alfons der Viertel-vor-Zwölfte, weil er um Viertel vor zwölf geboren worden
war. Er war ein ziemlich guter Herrscher. Jedenfalls konnte niemand etwas
Nachteiliges von ihm sagen, weil man eigentlich überhaupt nichts von ihm sagen
konnte. Meistens saß er mit seiner Krone auf dem Kopf in einem Schlafrock aus
rotem Samt und mit schottisch karierten Pantoffeln an den Füßen in seinem
Schloß und telefonierte. Zu diesem Zweck hatte er ein großes, goldenes Telefon.
    König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte
hatte zwei Untertanen — wenn man einmal von Lukas absieht, der eigentlich kein
Untertan war, sondern Lokomotivführer.
    Der eine Untertan war ein Mann namens
Herr Ärmel. Herr Ärmel ging meistens mit einem steifen Hut auf dem Kopf und
einem zusammengeklappten Regenschirm unter dem Arm spazieren. Er wohnte in dem
ganz gewöhnlichen Haus und hatte keinen bestimmten Beruf. Er ging nur spazieren
und war eben da. Er war hauptsächlich Untertan und wurde regiert. Manchmal
klappte er den Schirm auch auf, meistens wenn es regnete. Mehr ist von Herrn
Ärmel nicht zu erzählen.
    Der andere Untertan war eine Frau, und
zwar eine ganz besonders nette. Sie war rund und dick, wenn auch nicht ganz so
dick wie Emma, die Lokomotive. Sie hatte rote Apfelbäckchen und hieß Frau Waas,
mit zwei a. Wahrscheinlich war einer ihrer Vorfahren mal schwerhörig gewesen,
und da hatten ihn die Leute einfach so genannt, wie er immer gefragt hatte,
wenn er etwas nicht verstand. Und dabei war es dann geblieben.
    Frau Waas wohnte in dem Haus mit dem
Kaufladen, wo man alles besorgen konnte, was man so braucht: Kaugummi,
Zeitungen, Schuhbänder, Milch, Schuheinlagen, Butter, Spinat, Laubsägen,
Zucker, Salz, Taschenlampenbatterien, Bleistiftspitzer, Portemonnaies in Form
von kleinen Lederhosen, Liebesperlen, Reiseandenken, Alleskleber — kurz: alles.
    Reiseandenken wurden allerdings fast
nie gekauft, weil keine Reisenden nach Lummerland kamen. Nur Herr Ärmel kaufte
hin und wieder eines, mehr aus Gefälligkeit und weil es so billig war,

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