Jim Knopf und die Wilde 13
nicht kannten. Schließlich war die
Gesellschaft ein wenig müde geworden von all dem fröhlichen Umtrieb. Es wurde
auch schon langsam Zeit, nach der Edelsteinstadt aufzubrechen, denn Jimballa
war ein großes Land, und der Weg war ziemlich weit.
Lukas machte die gute alte Emma fertig,
denn sie sollte natürlich den großen Augenblick der Vermählung von Jim und Li
Si auch miterleben. Außerdem konnten die Kinder, die unterwegs müde Beine
bekommen würden, aufsitzen und eine Weile ausruhen. Und unter den zahlreichen
Familienmitgliedern waren natürlich auch einige ältere Leute, Großmütter und
Urgroßonkel, für die der weite Fußmarsch vielleicht doch ein wenig zu
anstrengend geworden wäre.
Lukas ließ Emma pfeifen, der lange Zug
ordnete sich und setzte sich in Bewegung. Die alte Lokomotive fuhr langsam
voraus und hielt ab und zu an, damit die Gäste, die mit vielen „Ahs“ und „Ohs“
die Herrlichkeit des neuen Landes bewunderten, auch Zeit hatten, nach
Herzenslust alles zu betrachten. Der Abend brach herein, und als schließlich die
Ebene erreicht war, auf der die Edelsteinstadt lag, war es bereits Nacht.
Aber wer schildert nun den Anblick, der
sich den staunenden Blicken darbot!
Die „zwölf Unbesiegbaren“ hatten
überall im Innern der alten, halb verfallenen Tempel, auf den Straßen und Höfen
und hinter den Mauern der Edelsteinpaläste Hunderte von Freudenfeuem entfacht.
Nun funkelte die ganze Stadt in allen Farben, wie eine riesengroße Wunderampel.
Darüber wölbte sich hoch und klar der Sternenhimmel. Von der nahen Küste
rauschte das Meer. Es strahlte aus der Tiefe herauf in einem milden, grünen
Schimmer, und alle großen und kleinen Wellen hatten Schaumkronen, in denen
unzählige Lichtfünkchen blitzten.
„Schau“, sagte Jim zu Li Si, mit der er
Hand in Hand hinter der Lokomotive herging, „das is’ das Meerleuchten!“
„Ja“, sagte die kleine Prinzessin
ehrfürchtig, „und ohne Lukas und dich wäre es nicht da.“
Sie gingen mitten in die leuchtende
Stadt hinein, und je länger sie durch das wunderbare vielfarbige Licht der
Straßen und Plätze wanderten, desto stiller wurden alle vor Staunen. Endlich
näherte sich der Festzug einem großen, runden Platz, in dessen Mitte auf einem
stufenförmigen Sockel ein schneeweißer Steinthron stand. In ihm waren die
geheimnisvollen Worte eingegraben:
JE LÄNGER JE LIEBER.
Rund um den Platz standen die. „zwölf
Unbesiegbaren“ im Kreis, wie die Ziffern auf einer riesigen Uhr, und hielten
brennende Fackeln in den Händen. Als sie Jim und Li Si kommen sahen, riefen sie
mit mächtigen Stimmen: „Unser Brautpaar, es lebe hoch! hoch! hoch!“
Und dann stimmten sie ihr neues Lied
an.
Während des Gesanges stellten sich die
Kinder mit ihren zahlreichen Familien ebenfalls in einem großen Kreis um den
Thron und jubelten dem Prinzenpaar zu.
Jim und Li Si waren vor den Stufen des
Thrones stehengeblieben. Und nun traten Frau Waas und Lukas zu den beiden
Kindern und brachten ihnen die Hochzeitskleider. Der kleinen Prinzessin legte
Frau Waas einen weißen, silber- und perlenbestickten Königinnenmantel um die
Schultern, dessen große Schleppe über den Boden glitt. Sie setzte ihr den
Brautkranz auf mit einem langen, weißen Schleier. Dann legte Lukas seinem
kleinen Freund einen purpurroten, goldbestickten Königsmantel um. In den Augen
von Lukas blinkte es verdächtig, und wenn er seine Pfeife im Mund gehabt hätte,
würde er bestimmt dicke Wolken ausgestoßen haben, wie immer, wenn er gerührt
war.
Als den beiden Kindern die
Hochzeitskleider angelegt waren, schritt der Kaiser von Mandala langsam über
den weiten Platz auf sie zu. Auf seinen Händen trug er ein großes, blaues
Sammetkissen, darauf lagen die Zeichen der Königswürde: die herrliche Krone des
Heiligen Dreikönigs Kaspar, sein Zepter und sein Reichsapfel, ein zierliches,
mandalanisches Krönchen für Li Si und der rote, fünfzackige Stern der
ehemaligen „Wilden 13“.
Der Kaiser trat zwischen die Kinder.
Lukas nahm Jim bei der Hand, Frau Waas führte die kleine Prinzessin. So stiegen
sie miteinander die Stufen hinauf. Vor dem Thron blieben sie stehen, und der
Kaiser sprach mit leiser, und doch auf dem ganzen, weiten Platz vernehmbarer
Stimme:
„Meine Kinder, nehmt diese Kronen. So
hat das uralte, neu errungene Land Jimballa wieder einen König und eine
Königin.“
Nach diesen Worten übergab der Kaiser
Lukas dem Lokomotivführer das Kissen, ergriff mit beiden Händen
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