Jim Knopf und die Wilde 13
nicht mehr von
den großen und kleinen Wellen des Meeres umspült wurde.
Herr Tur Tur hatte inzwischen König
Alfons den Viertel-vor-Zwölften und seine beiden Untertanen geweckt, und nun
standen sie alle zusammen vor dem Schloß zwischen den beiden Gipfeln und fanden
vor Verwunderung keine Worte. Sie konnten die Veränderung, die sich in dieser
Nacht vollzogen hatte, nicht begreifen. Jimballa hatte sich so sanft und
unmerklich emporgehoben, daß keiner von ihnen aus seinem Schlaf aufgewacht war.
Erst als Jim und Lukas auf sie zutraten
und ihnen einen guten Morgen wünschten, fanden sie ihre Fassung langsam wieder.
Und was nun für eine Wiedersehensfreude ausbrach, ist wahrhaftig nicht zu
beschreiben. Und da es nicht zu beschreiben ist, will ich es lieber gar nicht
erst versuchen. Ihr müßt es euch selber ausmalen. Und wie glücklich erst die
gute, dicke, alte Emma war, als Lukas auf sie zutrat und zärtlich und gerührt
über ihren unförmigen Kessel streichelte! Noch niemals hatte Lukas sie so lange
allein gelassen, und noch niemals war ihnen beiden so klar geworden, wie sehr
sie einander fehlten, wenn sie getrennt waren. Und das konnte niemand besser
verstehen als Jim, der noch immer ohne Molly war. Dann mußten die beiden
Freunde ihre Abenteuer erzählen. Aber diesmal konnten sie dazu natürlich nicht
in die kleine Küche von Frau Waas gehen, wie damals nach der Fahrt in die
Drachenstadt, denn jetzt hätten sie einfach unmöglich alle zusammen dort Platz
gehabt. Darum setzten sich die zwölf ehemaligen Seeräuber an die Landesgrenzen
von Lummerland, Jim und Lukas nahmen auf der alten Emma Platz, und die anderen
holten sich Stühle und machten es sich dort bequem, wo sie am besten hören
konnten. König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte schob sogar seinen Thron vor die
Tür des Schlosses, wippte fröhlich mit seinen schottisch karierten Pantoffeln
und lauschte der Erzählung der beiden Lokomotivführer, von denen der eine ja
nun eine Krone trug und also nun auch s e i n Kollege war.
„Wir Könige“, murmelte er ab und zu,
wenn die Geschichte besonders spannend wurde, „haben es manchmal wirklich sehr
schwer. Ich kann das beurteilen.“
Und die überglückliche gute Frau Waas
holte alles, was sie an Eis und Zuckerzeug und sonstigen Leckereien in ihrem
Kaufladen hatte und bewirtete die ganze Gesellschaft.
Als die beiden Freunde alles erzählt
hatten und die Zuhörer voll Staunen und Bewunderung schwiegen, erhob sich Herr
Ärmel, verbeugte sich höflich und sagte:
„Nachdem nun alles so vorzüglich
ausgegangen ist und für jeden sein richtiger Platz gefunden wurde, möchte ich
mir erlauben, einmal anzufragen, ob unseren beiden verehrten Freunden
vielleicht auch eine angemessene Verwendung für meine bescheidene Person
eingefallen ist. Wir sprachen ja schon einmal darüber, falls Sie sich noch
erinnern.“
„Natürlich erinnern wir uns, Herr
Ärmel“, antwortete Lukas und blies einen Rauchkringel in den blauen Himmel,
„und ich glaube, wir haben das Richtige gefunden.“
Jim blickte Lukas überrascht an. Davon
wußte er ja noch gar nichts. „Tja“, fuhr Lukas fort und zwinkerte seinem Freund
vergnügt zu, „unser Prinz möchte jetzt nämlich doch Lesen und Schreiben und
Rechnen und noch viel mehr lernen. Das hat er jedenfalls gesagt.“
„In der Tat?“ fragte Herr Ärmel höchst
erfreut.
„Ja“, sagte Jim, „das stimmt. Hätten
Sie vielleicht Lust, mir zu zeigen wie es geht, Herr Ärmel?“
„Mit dem größten Vergnügen!“ rief Herr
Ärmel.
Und so kam es, daß Jim Knopf, der jetzt
der junge König von Jimballa war, von nun an jeden Tag zu Herrn Ärmel in die
Schule ging und Lesen, Schreiben, Rechnen und noch viele andere Dinge lernte.
Und es ist nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß Herr Ärmel sich als ein
außerordentlich guter Lehrer erwies, und daß Jim von Tag zu Tag gescheiter
wurde und oft staunte, was Herr Ärmel alles wußte. Man konnte ihn wirklich
alles fragen, er war nahezu eine „Blüte der Gelehrsamkeit“.
Jim versuchte sogar einmal die zwölf
ehemaligen Piraten dazu zu überreden, mit ihm zusammen in die Schule zu gehen,
aber die Brüder waren nicht besonders begeistert davon, und Jim bestand nicht
weiter auf seinem Vorschlag.
Die ersten Briefe, die Jim eigenhändig
schrieb, waren an all die Kinder gerichtet, die mit der kleinen Prinzessin
zusammen in Kummerland gefangen gewesen waren. Er lud sie ein, nach Jimballa zu
kommen. Die Briefe gab er den zwölf Brüdern
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