Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Ordnung zu bekommen, denn es war ihm noch immer, als träumte er.
»Schon gut, alter Junge«, brummte Lufcas und schmunzelte in sich hinein. Er hatte natürlich gemerkt, warum sein Freund außer der kleinen Prinzessin nichts mehr rings um sich her sah und hörte. Also wandte er sich zu den Kindern und schlug vor, jedes sollte ihm seine Geschichte erzählen. Sie hätten ja sowieso noch ein gutes Ende bis nach Ping zu fahren, und er sei gespannt, zu hören, wie jedes von ihnen eigentlich nach Kummerland zu dem Drachen gekommen wäre. Damit waren alle einverstanden. Lukas zündete sich eine neue Pfeife an, und dann begann als erstes der Kinder die kleine Prinzessin Li Si ihre Geschichte zu erzählen.
Dreiundzwanzigstes Kapitel
in dem die Prinzessin von Mandala ihre Geschichte erzählt und Jim sich ganz plötzlich über sie ärgern muß
»Es war in den großen Ferien«, so begann Li Si zu erzählen, »und ich hatte wie jedes Jahr an den Meeresstrand fahren dürfen. Mein Vater hatte mir sogar erlaubt, sieben Freundinnen einzuladen, damit ich mich nicht langweilen sollte. Und dann waren noch drei ältere Hofdamen mitgefahren, die auf uns achtgeben sollten.
Also, wir wohnten alle zusammen in einem kleinen hübschen Schloß aus himmelblauem Porzellan. Gleich vor der Haustür rauschte das Meer auf den goldenen Sand.
Die Hofdamen sagten uns jeden Tag, daß wir nur in der Nähe des Schlosses spielen sollten und daß wir ja nicht weiter weg laufen dürften, damit uns nichts passiert. Zuerst sah ich es ja auch ein und blieb immer in Rufweite, aber als die Hofdamen uns jeden Tag immer wieder dasselbe sagten, obwohl wir ja alle ganz folgsam gewesen waren, da wurde mein Widerspruchsgeist plötzlich wach. Ich habe leider einen furchtbar starken Widerspruchsgeist. Kurz und gut, eines Tages lief ich weg und wanderte auf eigene Faust am Meeresstrand entlang. Nach einer Weile konnte ich von weitem sehen, wie die Hofdamen und die Freundinnen anfingen, mich zu suchen. Aber statt zu rufen, versteckte ich mich in einem Binsenbusch. Nach einer Weile kamen meine Spielkameradinnen und die Hofdamen ganz in der Nähe vorüber, und alle riefen immerfort meine n Namen und schienen schrecklich ängstlich und aufgeregt zu sein. Aber ich saß in meinem Versteck und muckste mich nicht.
Nach einer Weile kam der Suchtrupp wieder zurück, und ich hörte, wie sie sagten, sie wollten jetzt in der anderen Richtung gehen, und ich könnte ja unmöglich so weit fortgelaufen sein. Ich lachte mir ins Fäustchen, und als sie weg waren, schlüpfte ich aus meinem Versteck und wanderte weiter am Strand entlang, immer weiter von dem Schloß fort. Ich sammelte hübsche Muscheln in meine Spielschürze und dabei sang ich ein kleines Lied vor mich hin, das ich inzwischen gedichtet hatte, um mir die Zeit zu vertreiben. Es ging so:
Ach wie herrlich, ach wie schön , ganz allein am Strand zu gehn.
Ich bin die Prinzessin Li Si , weil ich nicht will, mich finden nie sie!
Hum didel dum , Schrum!
Ich habe das übrigens ganz allein gedichtet, und es war ziemlich schwer auf Li Si einen passenden Reim zu finden. Während ich so ging und sang, merkte ich plötzlich, daß der Strand gar nicht mehr so schön sandig war, sondern daß ich schon seit einer ganzen Weile am Rand einer Felsenküste entlanglief, die steil ins Meer abfiel. Mir war gar nicht mehr ganz wohl, aber das wollte ich vor mir selber nicht zugeben. Ich ging also immer weiter. Auf einmal sah ich draußen auf dem Meer ein Segelschiff auftauchen, das in rasend schneller Fahrt näher kam, direkt auf die Stelle der Küste zu, wo ich stand. Es hatte blutrote Segel, und auf dem größten war mit schwarzer Farbe eine riesige 13 aufgemalt.«
Hier überlief ein Schauer Li Si, und sie schwieg einen Augenblick.
»Jetzt wird’s interessant!« brummte Lukas und wechselte einen bedeutungsvollen Blick mit Jim. »Erzähle weiter!«
»Das Schiff legte direkt vor mir an der Küste an«, fuhr die Prinzessin, die noch in der Erinnerung etwas blaß geworden war, fort. »Ich war so erschrocken, daß ich wie angewurzelt stehen blieb. Übrigens war das Schiff so groß, daß seine Seitenwand noch ein ganzes Stück höher war als die Felsenküste, auf der ich stand. Und nun sprang ein großer Mann zu mir herunter, der unbeschreiblich erschreckend aussah. Er hatte einen ganz sonderbaren Hut auf dem Kopf, auf dem ein Totenschädel mit zwei gekreuzten Knochen gemalt war. Er trug eine bunte Jacke und Pluderhosen und hohe
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