Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
ein Lamm.«
Diesen Plan fanden alle sehr gut. Sobald sie mit dem Kalfatern fertig waren, rollten sie Emma in das Klassenzimmer zurück. Als der Drache sie kommen sah, hob er den Kopf. Er war wieder ganz munter, wie es schien. Allerdings war er zu gut gefesselt, als daß er hätte gefährlich werden können. Er mußte sich vorerst damit begnügen, bösartig mit den Augen zu funkeln und ab und zu gelbe Rauchschwaden aus Ohren und Nasenlöchern zu blasen.
Nachdem ihm Lukas jedoch erklärt hatte, daß er hinter ihne n drein schwimmen sollte, fuhr er in die Höhe und rüttelte verzweifelt an seinen Ketten.
»Hör auf!« sagte Lukas streng. »Es hilft dir nichts, also sei vernünftig.«
Der Drache schien es einzusehn, jedenfalls ließ er den Kopf auf den Boden sinken, schloß die Augen und tat, als sei er tot. Allerdings erntete er dadurch kein Mitleid, wie er vielleicht gehofft hatte.
Beim Schein der Pechfackeln holte Lukas eine Zange aus dem Werkzeugkasten und hängte alle restlichen Ketten, die noch auf den Schulbänken lagen, zu einer einzigen zusammen. Darauf befestigte er das eine Ende dieser langen Kette an Emmas Hinterteil und das andere an dem großen Zahn des Drachen. Dieses Ende machte er besonders sorgfältig fest, damit das Untier nicht etwa unterwegs seine Fessel abstreifen konnte.
Als er fertig war, befahl er den Kindern, auf die Lokomotive hinaufzuklettern und Platz zu nehmen. Nur er und Jim blieben noch unten. Nachdem alle saßen, stellte Lukas sich vorne neben Emma, um sie zu führen, da er ja nun nicht mehr ins Innere des Häuschens hineinkonnte. Dann gab er Jim einen Wink, der daraufhin die Fesseln an den Vorder-und Hintertatzen des Drachens löste und schnell beiseite sprang. »Komm, Emma!« sagte Lukas.
Die Lokomotive fuhr an, und die Kette spannte sich. Der Drache schlug die Augen auf und erhob sich schwerfällig. Kaum hatte er jedoch begriffen, daß seine Füße frei waren, da versuchte er mit aller Kraft, sich gegen die Kette zu stemmen, ganz wie Jim es vorausgesehen hatte. Aber im gleichen Augenblick entrang sich seiner Brust ein schmerzliches Stöhnen, denn der Zahn war seine empfindliche Stelle und tat durch den starken Zug ganz verflixt weh. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als wohl oder übel hinter Emma her zu trotten. Dabei war deutlich zu sehen, daß er vor Wut fast platzte. Seine kleinen Augen glühten in allen Farben.
Als sie die Wohnungstür erreicht hatten, rief Lukas den Kindern zu: »Löscht die Fackeln aus! Das Licht würde uns verraten!«
Nachdem das geschehen war, zog er mit Jim zusammen die schwere steinerne Tür auf, und dann bewegte sich der seltsame Zug leise und in vollständiger Dunkelheit über die Treppenspirale abwärts ins Erdgeschoß und auf die Straße hinaus. Ein paar Drachen, die sich verspätet hatten, stampften auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorüber. Die Kinder wagten kaum zu atmen. Zum Glück bemerkten die Bestien nichts, erstens wegen der Finsternis, und zweitens, weil sie wie gewöhnlich viel zu sehr damit beschäftigt waren, sich über irgend etwas zu ärgern und vor sich hin zu schimpfen. Vorsichtig lenkte Lukas die Lokomotive um das Haus herum, und bald war der Fluß erreicht. Das Wasser strahlte ein seltsames schwaches Goldlicht aus. Es leuchtete von selbst, so daß man seine eiligen Wellen durch die Nacht schimmern sah.
Lukas brachte Emma zum Stehen und untersuchte das Ufer. Es fiel flach nach dem Wasser zu ab. Befriedigt kam er wieder zurück und raunte zu den Kindern hinauf:
»Bleibt nur ganz ruhig sitzen! Und du, meine gute dicke Emma«, fuhr er fort, »mußt jetzt noch einmal Schiff spielen. Mach’s gut! Ich verlasse mich auf dich.«
Damit drehte er den Hahn an der Unterseite des Kessels auf, und das Wasser aus Emmas Innerem lief gluckernd ab. Als der Kessel leer war, drehte er den Hahn wieder zu und schobgemeinsam mit Jim die Lokomotive so nah an das abschüssige Ufer heran, daß sie von allein weiterrollen konnte. Rasch sprangen die beiden Freunde hinauf und kletterten zu den Kindern auf das Dach.
Eine wunderbare klare Sternennacht empfing sie.
»Festhalten!« rief Lukas gedämpft, als Emma sanft in den Fluß hineinglitt. Die Strömung war ziemlich stark. Sie erfaßte sogleich die schwimmende Lokomotive und trieb sie mit sich fort.
Der Drache, wasserscheu wie alle seinesgleichen, stand noch am Ufer und stellte sich entsetzlich an. Er hatte auch allen Grund dazu, denn er wußte wohl, daß die Berührung mit dem Wasser
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