Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
erwiderte der Kaiser befriedigt. »Ich bin übrigens ganz Ihrer Meinung, lieber Freund. Die beiden passen wirklich sehr gut zueinander. Zwar sind sie noch ein bißchen zu klein, um zu heiraten, aber sie können sich ja zunächst einmal verloben.«
»Das überlassen wir den beiden am besten selbst«, schlug Lukas vor.
»Richtig«, stimmte der Kaiser zu, »wir wollen uns nicht zu sehr einmischen. Aber sagen Sie, lieber Lukas, wie kann ich mich denn nun bei Ihnen bedanken? Leider habe ich nur diese eine Tochter, sonst würde ich Ihnen ebenfalls eine Prinzessin zur Frau geben. Doch das geht ja nun leider nicht. Haben Sie vielleicht irgendeinen Wunsch, den ich erfüllen kann? Bitte, sprechen Sie ihn aus! Aber es soll wirklich ein großer Wunsch sein, der größte, den Sie haben.«
»Den können Sie mir nicht erfüllen, Majestät«, antwortete Lukas und schüttelte langsam den Kopf. »Der wäre nämlich, daß ich mit Jim und Emma zusammen nach Lummerland zurückkehren könnte. Aber Sie wissen ja, warum wir von dort weggefahren sind. Die Insel ist nicht groß genug für uns alle. Es wäre ein Wunder nötig, um diesen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen. Aber ich habe eine andere Bitte, Majestät: Lassen Sie mich eine Eisenbahnlinie quer durch Mandala anlegen. Das wäre nützlich für Sie und Ihre Untertanen, und meine gute alte Emma käme endlich wieder auf ordentliche Schienen.«
»Mein verehrter Freund«, sagte der Kaiser mit leuchtenden Augen, »ich danke Ihnen, daß Sie bei uns bleiben wollen. Sie bereiten mir eine große Freude damit. Ich werde sofort befehlen, daß Ihnen das schönste und längste Eisenbahngleis mit den prunkvollsten Bahnhöfen gebaut wird, das die Welt je gesehen hat. Ich hoffe Ihnen dadurch ein wenig zu helfen, Ihre geliebte Heimatinsel nach und nach vergessen zu können.«
»Danke schön«, antwortete Lukas. »Sie meinen es gut, Majestät. Das ist sehr nett von Ihnen.«
In diesem Augenblick trat der kleine Fing Pong auf die Terrasse heraus, verneigte sich tief und piepste:
»Erhabener Kaiser, das Schiff für die Kinder liegt im Hafen. Heute abend gegen Sonnenuntergang ist es bereit, in See zu stechen.«
»Sehr schön«, erwiderte der Kaiser und nickte Fing Pong zu, »du bist wirklich ein außerordentlich tüchtiger Oberbonze.« Lukas stand auf.
»Ich glaube, fürs erste haben wir alles besprochen, Majestät. Wenn Sie nichts dagegen haben, dann lege ich mich jetzt auch schlafen. Ich bin todmüde.«
Der Kaiser wünschte ihm angenehme Ruhe, und Lukas ging in das Zimmer mit dem zweistöckigen Himmelbett zurück. Jim, der von der Abwesenheit seines Freundes nichts gemerkt hatte, atmete ruhig und tief im Schlaf. Lukas streckte sich auf dem unteren Bett aus, und während er schon am Einschlummern war, dachte er: »Was Jim wohl dazu sagen wird, daß wir hierbleiben und nicht nach Lummerland heimfahren? Oder wird er vielleicht noch lieber allein nach Hause zurückkehren wollen und mich und Emma verlassen? Ich könnt’s schon verstehen.«
Und Lukas seufzte tief, und dann schlief auch er.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
in dem Frau Mahlzahn sich verabschiedet und ein Brief aus Lummerland ankommt
Es war gegen Mittag, als Lukas und Jim durch heftiges Pochen an die Tür aus dem Schlaf geweckt wurden.
»Macht auf! Macht auf! Es ist sehr wichtig!« hörten sie ein piepsendes Stimmchen rufen.
»Das is’ Fing Pong«, sagte Jim, kletterte aus der 1. Etage herunter und öffnete die Tür.
Herein schoß der winzige Oberbonze, ganz außer Atem, und zwitscherte:
»Verzeiht, ihr erhabenen Freunde, wenn ich eure Ruhe so unsanft unterbreche, aber ich soll einen schönen Gruß vom Drachen ausrichten, und ihr sollt doch so freundlich sein und sofort zu ihm kommen, es wäre dringend.«
»Nanu!« brummte Lukas, etwas ungehalten. »Was soll denn das bedeuten? Er soll sich gefälligst gedulden.«
»Er sagte«, schnatterte Fing Pong, »er müsse sich von euch verabschieden, aber er wolle euch vorher noch etwas mitteilen.«
»Verabschieden?« fragte Lukas verdutzt. »Was fällt denn dem ein?«
»Ich glaube, es ist ernst«, meinte Fing Pong mit besorgter Miene. »Er macht so einen sonderbaren Eindruck, als ob er… als ob er …«
»Als ob er was?« forschte Lukas. »Sprich nur zu Ende.«
»Ich weiß nicht recht«, stieß der kleine Oberbonze hervor. »Ich glaube, er stirbt.«
»Er stirbt?« rief Lukas und wechselte einen bestürzten Blick mit Jim. Das hatten sie natürlich, trotz allem, wieder nicht gewollt.
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