Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer

Titel: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
Vom Netzwerk:
Ich werde Sie hinführen.«
    Aber Lukas wollte lieber mit Emma fahren. Schon damit Emma bei der Gelegenheit neues Wasser tanken konnte. Es dauerte jedoch eine ganze Weile, bis Lukas und Jim den ängstlichen Scheinriesen davon überzeugt hatten, daß es ganz ungefährlich sei, mit einer Lokomotive zu fahren. Schließlich stiegen alle drei auf und dampften los.

Siebzehntes Kapitel
    in dem der Scheinriese seine Eigenart erklärt und sich dankbar erweist

    Herrn Tür Türs Oase bestand aus einem klaren, kleinen Teich, in dessen Mitte eine Quelle wie ein Springbrunnen plätscherte. Rundherum wuchs frisches saftiges Grün, und mehrere Palmen und Obstbäume hoben ihre Wipfel in den Wüstenhimmel. Unter diesen Bäumen lag ein niedriges, blitzsauberes, weißes Häuschen mit grünen Fensterläden. In einem kleinen Garten vor der Haustür zog der Scheinriese sogar Blumen und Gemüse.
    Lukas, Jim und Herr Tür Tür setzten sich in der Stube um den runden Holztisch und aßen zu Abend. Es gab verschiedene leckere Gemüsesorten und zum Nachtisch einen herrlichen Obstsalat.
    Herr Tür Tür war nämlich Vegetarier. So nennt man Leute, die niemals Fleisch essen. Herr Tür Tür war ein großer Tierfreund, und deshalb mochte er keine Tiere töten und aufessen. Daß die Tiere trotzdem vor ihm flohen, weil er eben ein Scheinriese war, das stimmte ihn oft sehr traurig.
    Während die drei friedlich um den Tisch saßen, stand die alte Emma draußen neben dem Springbrunnen. Lukas hatte die Kuppel hinter ihrem Schornstein aufgeklappt, und nun ließ sie behaglich das frische Wasser in ihren Kessel hineinplätschern. Sie war ziemlich durstig von der großen Hitze des Tages. Nach dem Essen zündete sich Lukas seine Pfeife an, lehnte sich zurück und sagte:
    »Danke für die gute Mahlzeit, Herr Tür Tür. Aber nun bin ich gespannt auf Ihre Geschichte.«
    »Ja«, drängte Jim, »erzählen Sie doch bitte!«
    »Nun«, meinte Herr Tür Tür, »da ist eigentlich nicht viel zu erzählen. Eine Menge Menschen haben doch irgendwelche besonderen Eigenschaften. Herr Knopf zum Beispiel hat eine schwarze Haut. So ist er von Natur aus, und dabei ist weiter nichts Seltsames, nicht wahr? Warum soll man nicht schwarz sein? Aber so denken leider die meisten Leute nicht. Wenn sie selber zum Beispiel weiß sind, dann sind sie überzeugt, nur ihre Farbe wäre richtig, und haben etwas dagegen, wenn jemand schwarz ist. So unvernünftig sind die Menschen bedauerlicherweise oft.«
    »Und dabei«, warf Jim ein, »is’ es doch manchmal sehr praktisch, eine schwarze Haut zu haben, zum Beispiel für Lokomotivführer.«
    Herr Tür Tür nickte ernst und fuhr fort: »Sehen Sie, meine Freunde: Wenn einer von Ihnen jetzt aufstünde und wegginge, würde er doch immer kleiner und. kleiner werden, bis er am Horizont schließlich nur noch wie ein Punkt aussähe. Wenn er dann wieder zurückkäme, würde er langsam immer größer werden, bis er zuletzt in seiner wirklichen Größe vor uns stünde. Sie werden aber zugeben, daß der Betreffende dabei in Wirklichkeit immer gleich groß bleibt. Es scheint nur so, als ob er erst immer kleiner und dann wieder größer würde.« »Richtig!«sagte Lukas.
    »Nun«, erklärte Herr Tür Tür, »bei mir ist das einfach umgekehrt. Das ist alles. Je weiter ich entfernt bin, desto größer sehe ich aus. Und je näher ich komme, desto mehr erkennt man meine wirkliche Gestalt.«
    »Sie meinen«, fragte Lukas, »Sie werden gar nicht wirklich kleiner, wenn Sie näher kommen? Und Sie sind auch nicht wirklich so riesengroß, wenn Sie weit entfernt sind, sondern es sieht nur so aus?«
    »Sehr richtig«, antwortete Herr Tür Tür. »Deshalb sagte ich; ich bin ein Scheinriese. Genauso, wie man die anderen Menschen Scheinzwerge nennen könnte, weil sie ja von weitem wie Zwerge aussehen, obwohl sie es gar nicht sind.«
    »Das ist wirklich sehr interessant«, murmelte Lukas und paffte nachdenklich ein paar kunstvolle Rauchringe. »Aber sagen Sie, Herr Tür Tür, wie ist denn das gekommen? Oder waren Sie schon immer so, auch als Kind?«
    »Ich war schon immer so«, sagte Herr Tür Tür bekümmert. »Und ich kann nichts dafür. In meiner Kinderzeit war diese Eigenschaft noch nicht so stark ausgeprägt, nur ungefähr halb so stark wie jetzt. Trotzdem hatte ich niemals Spielkameraden, weil sich alle vor mir fürchteten. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie traurig ich war. Ich bin nämlich ein sehr friedlicher und geselliger Mensch. Aber wo ich auch

Weitere Kostenlose Bücher