Jim
könnte dich lieben.»
«Wie kannst du so etwas», sie zögerte, «Bedeutendes sagen und gleich hinterher das Gegenteil behaupten?»
«Ich bin nur ehrlich.»
«Wenn du etwas haben willst, nimmst du’s dir. Und wenn du es einen Tag später nicht mehr willst? Und wenn du es nicht kriegst? Und was ist mit Frank? Hast du nur einmal an deinen Freund gedacht?»
«Ich habe kein schlechtes Gewissen. Nie eins gehabt.» Mundt richtete sich ebenfalls im Bett auf. «Ist dir denn klar, was
du
machst? Du hältst an etwas fest, das lange vorbei ist. Du willst es bloß nicht zugeben. Lieber erduldest du das Gejammer und die Muffigkeit deines Partners, lieber hältst du es aus, dass niemand dich anfasst. Was schaust du mich an? Ich wette, es stimmt. Man kann sein Leben so oder so zubringen. Es geht doch vorüber.»
«Du gehst zu weit.»
«Schon gut. Ich nehm’s zurück.»
Mundt wollte nicht streiten. Wozu die ganzen Auseinandersetzungen führen, die doch nichts brachten? Um sich herum sah er Horden von Leuten in Grabenkriege verwickelt, die ihre Lebensenergie völlig auffraßen. Er konzentrierte sich lieber auf seinen Erfolg.
Jim versuchte immer noch, vom Baum zu steigen. Leider schätzte er dabei die Tragfähigkeit eines Astes falsch ein, der sich unter seinem Gewicht weiter und weiter zur Erde bog, bis er das Gleichgewicht verlor. Er schaffte es gerade noch, sich im Fallen mit den Füßen an einen anderen Ast zu krallen. Dennoch schlug er mit der Schulter auf, ließ sich daraufhin abrollen und trollte sich.
Anna und Tobias hielten den Atem an. Beide fühltensich erleichtert, als nichts Schlimmeres geschah. Ihr Gespräch stockte. Anna saß wie meditierend da. Mundt rieb ab und zu über seinen noch jungen Bart.
Der Abendschatten wanderte über das Gartenbett. Die Temperatur sank schlagartig um mehrere Grad. In der Dämmerung kehrte Jim zurück. Er schlang die Hand um einen Pfosten des Baldachins und schickte sich an, zu Anna und Tobias auf die Matratze zu klettern. Mundt kroch beinah in Anna hinein, denn Jim hatte sich seine Seite des Betts ausgesucht, und er traute sich nicht, an dem Affen vorbei aufzustehen.
«Nein, Jim!», sagte Anna. «Erst wirst du dir die Füße abputzen und – iiih, du schmierst ja alles voll, was ist denn das, was hast du da an der Hand?»
Der Pfosten wies unschöne rot-braune Spuren auf. Anna schaute böse, doch ihre Miene klärte sich, als sie in den fetten Schlieren eine Spur fahles Blau entdeckte.
«Tobi, Jim hat wieder gemalt! Schau dir seine Hände an. Sie sind voll Farbe.»
Mundt hatte unterdessen eine Lösung für sein Problem gefunden. Er kletterte kurzerhand über Anna hinweg und sprang auf ihrer Seite aus dem Bett.
«Holst du bitte einen Lappen? Ich suche derweil Jims neue Bilder.»
Während Mundt, der ohne Widerspruch gehorchte, vorsichtig auf das Haus zulief, erklärte Anna Jim noch einmal, dass er mit schmutzigen Fingern nicht ins Bett dürfe. Kaum war sie fortgegangen, da kletterte derAffe auf die Kapokmatratze und rieb wohlig seinen Hintern am Laken.
Die beiden Menschen kamen etwa gleichzeitig zurück. Mundt brachte einen Eimer, aus dem Schaum quoll. Anna trug das an einer Seite eingerissene Blatt Papier. Dass Jim nun doch im Bett saß, schien sie nicht zu bemerken. Sie lobte ihn für sein Bild und zauberte ein paar Kiwis aus ihren Taschen. Jim verzog sich mit seiner Belohnung erneut zwischen die Sträucher.
«Das ist von unserem Obst. Ich hoffe, du weißt das zu schätzen», rief Anna hinter ihm her.
Sie setzte sich nach einer kurzen Inspektion aufs Bett und betrachtete Jims Werk. Mundt säuberte nachlässig den Pfosten.
«Schau dir das an», rief sie bewegt. «Dieses Bild hat eine geradezu expressionistische Wucht. Entgegen den sonst bei Jim dominierenden weichen Wischformen zeigt sich hier ein zackiger Stil. Allem Anschein nach hat er mit dem Fingernagel gearbeitet. Er erweitert sein Repertoire.»
Mundt warf den Lappen in den Eimer und setzte sich neben sie.
«Mit solchen Äußerungen musst du vorsichtig sein. Wenn du das öffentlich sagst, fallen die Leute sofort über dich her.»
«Ich sag es ja nicht öffentlich.»
«Aber wenn wir die Galerie haben. Wir müssen genau darüber nachdenken, ob wir den Kunstanspruch aufrechterhalten.»
«Kunst oder nicht, das ist so ein typisch männlicher Diskurs. Die Bilder sind schön, sie lösen beim Betrachter etwas aus – das reicht doch.»
«Und sie können uns eine Menge Geld einbringen. Was schaust du so? Für den guten
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