Jinx - der verfluchte Liebeszauber
aber den erschrockenen Gesichtern der anderen nach zu urteilen hatte ich es eher geschrien. Ich senkte meine Stimme etwas und fügte hinzu: »Und ein Psychopath ist er auch nicht. Er ist einfach ein Typ, mit dem ich mich mal getroffen habe und der dann … ein bisschen … aufdringlich geworden ist.«
Das hörte sich doch plausibel an. Würden sie mir glauben? Ich hoffte es jedenfalls …
»Oh-oh. Wahrscheinlich wollte er mit ihr Händchen halten – das ist natürlich wirklich aufdringlich «, sagte Tory mit todernster Miene, worauf Shawn vor Lachen prustete.
Das war echt fies.
Aber anscheinend glaubten sie mir. Tory zumindest.
Und das war mir das Wichtigste.
Als ich ihr einen ärgerlichen Blick zuwarf, der mir
nach ihrer fiesen Bemerkung angebracht erschien, sagte Tory: »Ach komm, Jinx. Jetzt sei nicht gleich beleidigt. Der Witz musste einfach sein. Immerhin bist du eine Pfarrerstochter.«
Chanelle sah mich erstaunt an. »Ist das echt wahr? Du bist eine PFARRERSTOCHTER?«
Natürlich betonte sie das Pfarrerstochter so, als wäre es etwas unfassbar Schlechtes. Daran war ich schon gewöhnt.
»Ich bin auch IT-Techniker-Tochter«, sagte ich. »Meine Mutter ist Pfarrerin und mein Vater arbeitet in der Computerbranche.«
Das interessierte natürlich keinen, aber daran war ich auch schon gewöhnt.
»Gott!«, kreischte Lindsey begeistert. »Das ist ja wohl das Romantischste, was ich je gehört hab. Du musstest Hals über Kopf von zu Hause fliehen, weil dich ein liebeskranker Typ Tag und Nacht verfolgt! Ich wünschte, ich hätte einen liebeskranken Freund, der ohne mich nicht leben könnte.«
»Mir würde schon ein Freund reichen, der gelegentlich mal nüchtern bleibt«, sagte Chanelle trocken. »Aber ich hab ja nur Robert.«
Robert blickte von dem zerdrückten Joint auf, den er gerade wieder glatt zu streichen versuchte. »Was ist?«, fragte er, als er merkte, dass alle ihn ansahen.
»Genau davon rede ich«, seufzte Chanelle so gespielt tragisch, dass ich lachen musste.
Allerdings nur so lange, bis Shawn knurrte: »Was ist
jetzt, sind wir hier in einer Nachmittags-Talkshow oder machen wir Geschäfte? Ich hab jedenfalls genug über das skandalöse Liebesleben der Pfarrerstochter gehört. Wie wär’s, wenn ihr jetzt mal die Kohle rüberwachsen lassen würdet, Ladys?« Er reckte sein iPhone in die Höhe, auf dem die Summe zu lesen stand, die er von ihnen bekam. »Angeschrieben wird nicht, Leute, ich will Bargeld sehen.«
Tory zog stöhnend ihr Portemonnaie aus der Tasche. Es war von Prada, stammte aus der aktuellen Frühjahrskollektion und kostete knapp tausend Dollar. Das wusste ich deshalb so genau, weil meine Schwester Courtney meine Eltern angefleht hatte, es ihr zum Geburtstag zu schenken – es sei auch das Einzige, was sie sich wünsche. Mom und Dad hatten sich vor Lachen fast auf dem Boden gewälzt.
Tory, Gretchen und Lindsey zählten jeweils Häufchen von zwanzig Dollar auf den Tisch. Tory schob den Stapel zu Shawn rüber und fragte: »Und wann bekommen wir die Ware?«
»Morgen.« Er sammelte die Scheine ein, legte sie ordentlich aufeinander, faltete sie und schob das Bündel dann in seine Hosentasche. »Spätestens am Montag.«
»Nein, morgen!«, sagte Tory scharf.
»Schon gut, keine Panik«, stöhnte Shawn. »Morgen.«
»Torrance?«, rief Paula in diesem Moment von der Terrasse. »Deine Mutter ist am Telefon!«
»Scheiße«, fluchte Tory. »Bin gleich wieder da.«
Ich nutzte die Gelegenheit, um einen geschmeidigen
Abgang zu machen. Na ja, vielleicht nicht ganz so geschmeidig.
»Ich glaub, dann geh ich auch mal wieder rein«, sagte ich und stand auf. »Ich muss noch meine Koffer auspacken. Es war echt nett, euch kennenzulernen.«
Ich war mir zwar nicht sicher, ob das die richtige Art war, sich von einer Gruppe obercooler, abgeklärter New Yorker Jugendlicher zu verabschieden, aber Chanelle lächelte freundlich und sagte: »Ja, fand ich auch. Wir sehen uns dann am Montag in der Schule.« Also konnte das, was ich gesagt hatte, nicht so daneben gewesen sein.
»Ich muss auch los, Leute«, verkündete Zack und stand ebenfalls auf. »Meine Mathehausaufgaben rufen. Wir sehen uns.«
»Torrance!«, rief Paula noch einmal lauter.
»Ich komm ja schon!« Tory stürzte, gefolgt von Zack und von mir, aus dem Pavillon. Obwohl Zack von hinten mindestens so hübsch war wie von vorn, konnte ich den Anblick nicht wirklich genießen. Ich wollte so schnell wie möglich in mein rosa
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