Jinx und der magische Urwald (German Edition)
Simon.
»Manchmal schon«, sagte Elfwyn. »Wollen Sie Reven nicht aus der Starre befreien?«
»Nein, dann versucht er womöglich noch mal, mich umzubringen.«
Donna Glimmer hörte dem Wortwechsel belustigt zu. »Wenn du mal versuchen würdest, dem kleinen Schnuckelchen alles zu erklären, wäre er vielleicht nicht mehr so darauf aus, dich zu filetieren.«
Simon warf ihr einen wütenden Blick zu. »Hör zu, Junge …«
»Reven«, sagte Reven mit zusammengebissenen Zähnen.
»Dann also Reven. Ich bin nicht hier, um irgendjemandem wehzutun. Und wer nicht mit der Axt herumfuchtelt, hat von mir nichts zu befürchten. Jetzt kapiert?«
»Sie haben Jinx umgebracht«, sagte Reven.
»Das habe ich ganz bestimmt nicht getan.«
»Vertraut Simon, meine Entchen«, sagte Donna Glimmer. Ehe Reven sie abwehren konnte, tätschelte sie ihn schon unter dem Kinn. »Nicht auf lange Sicht. Aber jetzt gerade führt er nichts Böses im Schilde.«
In dem Moment sah Simon die Flasche, die halb aus Revens starrer Tasche herausragte. Er holte sie heraus, starrte sein eigenes winziges Ich kurz an und steckte die Flasche ein. Dann hob er die Axt auf. Reven merkte, dass er sich wieder bewegen konnte.
»Los, breitet die Decken aus«, sagte Simon. »Macht eine Trage daraus.«
»Können Sie nicht mal
bitte
sagen?«, fragte Elfwyn.
Nein,
dachte Jinx.
Aber das ist nicht böse, bloß unfreundlich.
Mit der Axt unter dem Arm kniete Simon sich hin und half Elfwyn, die Decken zu einer Trage zusammenzulegen. Reven packte mit an – aber er schoss Simon giftige Blicke zu. Donna Glimmer stand nur in ihrem Butterfass dabei und schaute zu.
»Jetzt müssen wir die Trage unter ihn schieben. Wir dürfen ihn aber nur so wenig wie möglich bewegen«, sagte Simon.
»Hey, die Decken sind ja ganz steif«, sagte Elfwyn. »Ist das derselbe Zauber wie mit den Kleidern?«
»Ja«, sagte Simon. »Jetzt lasse ich Jinx schweben, und ihr schiebt ganz schnell die Decken unter ihn, ohne ihn zu berühren.«
Jinx flog näher heran, um zuzuschauen. Simon runzelte angestrengt die Stirn. Das war Magie an einem lebenden Menschen, oder? Die schwerste Art von Magie.
Obwohl
, dachte Jinx,
wenn er sich selbst so sah, war es wohl doch keine Magie an einem lebenden Menschen
.
Zunächst geschah überhaupt nichts.
Jinx spürte, dass Simon aus einer Macht zu schöpfen versuchte, die nicht da war. Da nahm Simon die Flasche mit seinem Miniatur-Ich darin aus der Tasche. Er schaute sein gefangenes Selbst finster an – Macht und Konzentration, dachte Jinx. Er will aus seiner eigenen gefangenen Lebenskraft Macht schöpfen. Ob das ging?
Und da merkte Jinx zum ersten Mal, dass er spüren konnte, welche Macht ein Zauberer nutzt.
Simon rang mit der Macht in der Flasche – sie war schlaff und schlüpfrig –, und so gab Jinx ein wenig von seiner eigenen Macht her. Ein Teil davon kam von seinem eigenen, nun ja, Tod. Und ein anderer Teil kam von den befreiten toten Leben, von denen einige immer noch gen Himmel schwebten. Sie kamen Jinx gern zu Hilfe. Es war so ähnlich, als wenn man von der Macht des Urwalds schöpfte, nur etwas schwieriger zu fassen.
Simon sah verblüfft aus. Er starrte dorthin, wo Jinx schwebte, und einen kurzen Moment dachte Jinx, der Zauberer könne ihn sehen. Dann schüttelte Simon den Kopf, empfing die Macht, die Jinx ihm zukommen ließ, und lenkte sie zu dem Toten auf den Felsen.
Jinx’ Körper kräuselte sich leicht, wie ein Tuch, das auf der Wasseroberfläche schwebt, und erhob sich einige Zentimeter in die Luft. Elfwyn schob die Trage unter ihn, und Jinx’ Körper senkte sich sanft darauf nieder.
Simon ließ die Trage schweben. Dann stand er auf, die Axt immer noch in der Hand. »In dieser Gegend scheint ein Machtvakuum zu herrschen, Knochenmeister.«
»Ach ja? Das war mir noch gar nicht aufgefallen.«
»Irgendetwas hat fast all deine Macht zerstört. Willst du mir vielleicht verraten, was das war?«
»Unsinn. Ich habe lediglich einen Weg gefunden, meine Macht zu verstecken und zu schützen«, sagte der Knochenmeister. »Wenn du auch nur die leiseste Begabung für Magie hättest, könntest du das auch.«
»Ach ja?«, sagte Simon. »Hier liegen eine Menge Scherben herum. Sieht aus, als stammten sie von Flaschen.« Seine Hand schloss sich um die Flasche in seiner Tasche. Er wandte sich zu Elfwyn. »Nimm … Jinx und geh mit ihm die Schlucht hinunter. Ich komme nach.«
»Wollen Sie den Knochenmeister hier einfach baumeln lassen?«, fragte Elfwyn.
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