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Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war

Titel: Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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müssen natürlich auch zu ihr. Everts Vater ist es erspart geblieben zu erleben, daß sein Sohn stirbt. Er ist schon seit ein paar Jahren tot.« Er verstummt. Joel hilft ihm in die Stiefel. »Wink mir«, ruft Joel ihm auf der Treppe nach. Samuel bleibt auf der Straße stehen und sieht zu dem Fenster hinauf, wo Joel sitzt. Sie winken, dann verschwindet er.
    Joel hebt »Celestine« aus ihrer Glasvitrine und bläst vorsichtig den Staub vom Segel und der Reling. In einem der Laderäume findet er eine tote Fliege. Als er sie mit einem Streichholz hervorpolkt, fällt ein Flügel ab. Die Fliege läßt ihn an Evert denken. Das will er nicht. Nicht jetzt. Ihm schaudert bei dem Gedanken, daß er hinausgehen und sich in einen Schneehaufen legen wollte, um zu erfrieren. Er schiebt die Gedanken beiseite und stellt »Celestine« wieder in die Vitrine. Dann holt er eine von Papa Samuels aufgerollten Seemannskarten und breitet sie auf dem Küchentisch aus. Er liest die Namen und Meerestiefen und denkt sich verschiedene Fahrwasser für das Schiff aus, auf dem er Kapitän ist.
    All das hier gibt's, denkt er. All das liegt da und wartet nur auf mich. Wenn Papa Samuel nicht mitkommt, geh ich eben eines Tages allein weg.
    Er rollt die Seekarte wieder auf und steckt sie in die Rolle. Dann kriecht er ins Bett und träumt weiter vom Meer, das da draußen nur auf ihn wartet.
    Er wird wach, als Papa Samuel nach Hause kommt und zur Tür hereinschaut.
    »Wie war es?« fragt Joel.
    »Du bist wach«, sagt Papa Samuel. »Ich dachte, du schläfst.«
    Er kommt herein und setzt sich auf die Bettkante. »Schön war das wirklich nicht«, sagt er.
    Joel richtet sich auf und hilft ihm, den Schlips abzunehmen. Plötzlich nimmt Papa Samuel ihn fest in die Arme.
    »Schlaf jetzt«, sagt er.
    Joel sieht, daß er rote Augen hat. Er verläßt den Raum, und bald darauf hört Joel ihn gurgeln. In seinem Zimmer spielt leise das Radio. Das Bett knackt, und dann verstummt das Radio.
    Joel schiebt den Wecker unter sein Kopfkissen. Dann kehrt er in Gedanken zurück aufs Meer. Er steht auf der Kommandobrücke und spürt einen warmen Wind im Gesicht.
    Aber um Mitternacht wird er wach und geht hinaus zu den Güterwaggons. In ihrem Schatten wartet er auf Ture. Er lauscht angespannt. Er will nicht, daß es Ture noch einmal gelingt, sich anzuschleichen, ohne daß er es merkt.
    Er dreht sich um und versucht, etwas in der Dunkelheit zu erkennen. In der Ferne hört er einen Automotor. Das wird der alte Maurer sein, der mit seinem Laster unterwegs ist.
    Plötzlich steht Ture hinter ihm. Wieder hat er es geschafft.
    »Warum bist du gestern nicht gekommen?« fragt er.
    Joel erzählt, was passiert ist. Im Dunkeln kann er nicht sehen, ob Ture ihm glaubt.
    »Gehen wir«, sagt Ture.
    Sie gehen hinunter zur Brücke. Ture bleibt unter den hohen Brückenbogen stehen und holt plötzlich eine große Schere hervor, die er unter der Jacke versteckt hat. »Jetzt bist du an der Reihe«, sagt er. »Gestern hab ich getan, was wir beide beschlossen haben. Ich hab ihre Johannisbeerbüsche mit Firnis eingeschmiert. Heute nacht bist du dran. Mit dieser Schere schneidest du die Kletterpflanzen an den Wänden ab.«
    »Das haben wir nicht beschlossen«, sagt Joel. »Ich wollte ihre Sträucher nicht mit Firnis einschmieren. Und ich denk gar nicht daran, irgendwelche Pflanzen abzuschneiden. «
    »Hab ich's mir doch gedacht«, sagt Ture. »Du bist feige.«
    »Ich bin nicht feige.« »Du traust dich nicht.« »Ich trau mich doch. Aber ich will nicht.« Ture sieht ihn verächtlich an.
    »Wenn einer sein Wort bricht, muß er über die Brücke klettern, das haben wir beschlossen«, sagt er und spuckt aus. »Jetzt hast du dein Versprechen gebrochen. Du bist gestern nicht gekommen. Ich hab gewartet, aber du bist nicht gekommen. In einem Geheimbund gelten keine endlosen Erklärungen. Man tut, was man beschlossen hat.«
    Ture schaut hinauf zu den hohen Brückenbogen. »Ich warte«, sagt er und grinst.
    Joel hat verstanden. Ture will, daß er über einen von den Bogen klettert.
    »Ich konnte doch nicht kommen«, sagt er. »Das war nun mal so.«
    Er wünschte, er hätte es mit energischer Stimme gesagt. Nicht wie jetzt, viel zu leise und undeutlich. Ture streckt ihm die große Heckenschere entgegen. »Die Kletterpflanzen oder die Brücke«, sagt er. »Aber ich konnte wirklich nicht kommen, ich hab's dir doch erklärt!« Es kommt ihm vor, als ob es wie ein Piepsen klingt. Wie ein ängstliches Vogeljunges, das sich

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