Joel 1 - Der Hund der unterwegs zu einem Stern war
hört zu und denkt, wie merkwürdig es ist, daß Sara, die so groß ist, so kleine Tränenhat…
Sie reden noch lange über Evert. Sara gibt Papa Samuel ein Pilsner und Joel ein Glas Saft. Dann fängt sie an zu kochen.
»Joel meint, wir sollten uns einen Elektroherd anschaffen«, sagt Papa Samuel plötzlich.
»Natürlich braucht ihr einen Elektroherd«, sagt Sara. »Das ist doch wohl klar!«
Sofort hat Joel Sara lieber. Aber Papa Samuel hätte den Herd kaufen sollen, ohne daß sie was sagt. Als Sara das Essen auf den Tisch stellt, merkt Joel, was für einen Hunger er hat. Er ißt und hört zu. Jetzt weiß er bald alles über Evert. Evert, der in der Leichenhalle liegt und nie bis zum See der Vier Winde gekommen ist. Als sie mit dem Essen fertig sind, spürt Joel, wie müde er ist. Wie soll er es schaffen, heute nacht Ture zu treffen? Er müßte jetzt schlafen, wenn er morgen in der Schule nicht wieder an seinem Platz einschlafen will. Papa Samuel sieht, wie müde er ist. »Wir gehen bald nach Hause, Joel«, sagt er. Da wird Joel noch müder. Nun weiß er, daß Papa Samuel heute nacht in seinem eigenen Bett schlafen wird. Als Sara sagt, daß er sich ein bißchen auf die Couch in dem anderen Zimmer legen kann, das Zimmer, in das er den Stein geworfen hat, nickt er und geht mit ihr. Wenn er da drinnen liegt, kann Papa Samuel sich nicht nackt ausziehen und Sara seine Narbe zeigen. Er wird schon aufpassen…
Sara deckt ihn mit einer Wolldecke zu, nicht mal eben schnell, so als hätte sie es eilig, wieder hinaus zu Papa Samuel in die Küche zu kommen. Sie deckt ihn zu, als wollte sie es wirklich gut machen.
»Du bist ein braver Junge«, sagt sie. »Auf dich kann Samuel stolz sein.«
Joel liegt da und lauscht dem Gespräch in der Küche. Er hört, daß sie immer noch über Evert reden. Bald gehen wir nach Hause, denkt er, bald…
Als er aufwacht, weiß er nicht, wo er ist. Dann merkt er, daß Papa Samuel neben ihm auf der Couch liegt und schläft. Aber er ist nicht nackt, er hat seine Unterwäsche an, das Hemd, das aussieht wie ein Fischernetz, und die langen Unterhosen.
Er richtet sich auf, vorsichtig, um Papa Samuel nicht zu wecken. Sara liegt in ihrem Bett, den Kopf zur Wand gedreht. Er streckt sich wieder aus. Unter seinem Kopf liegt Papa Samuels Arm.
Sie wollten mich nicht wecken. Nur deswegen sind wir noch hier. Sonst wären wir nach Hause gegangen… Plötzlich ist er hellwach. Ture fällt ihm ein, der bei den Güterwaggons auf ihn wartet!
Er sieht Papa Samuels Armbanduhr, die auf einem Stuhl liegt. Die Zeiger leuchten in der Dunkelheit. Es ist viertel vor zwei. Ture hat vergeblich gewartet. Joel spürt einen Stich im Bauch. Was soll er ihm sagen? Wie soll er erklären, daß er nicht gekommen ist? Der See der Vier Winde, denkt er. Ich werde Ture von meiner Fahrt mit Simon Urväder erzählen. Dann muß er begreifen, daß ich nicht kommen konnte.
Joel schaut zu dem Loch im Fenster. Er denkt an den Hund, den es irgendwo dort draußen in der Nacht gibt. Der Hund, der unterwegs zu einem Stern ist…
Wer macht denn da Musik für ihn?
Joel träumt vom Ruderboot auf dem See der Vier Winde. Jetzt ist nicht mehr Winter. Das Boot schaukelt auf sanften Wellen, und Joel liegt auf dem Boden des Bootes, wo es nach Teer riecht, und er schaut geradewegs in den blauen Himmel. Aber wer macht da Musik für ihn?
Die Töne kommen von weit her. Jemand, den er nicht sehen kann, spielt auf einem Klavier aus Kristallglas. Die Melodie wiederholt sich, wieder und wieder, immer schwächer, immer langsamer…
Er will im Ruderboot liegenbleiben, aber er steigt auf zum blauen Himmel, als ob sein Körper von den Vier Winden angehoben würde, und bald schaukelt er hoch über dem Boot, das dort tief, tief unter ihm liegt… Da schlägt er die Augen auf, und die Melodie begleitet ihn aus seinem Traum in die Wirklichkeit. Auf seine Brust, genau unter seinem Kinn, hat Sara eine Spieluhr gestellt. Eine Holzfigur schlägt zwei Zimbeln. Sie steht auf dem Deckel der roten Spieluhr.
Joel sieht, wie sich die Arme der kleinen Holzfigur immer langsamer bewegen, genauso, wie die Melodie langsam verklingt.
Sara steht in der Tür zur Küche und lächelt ihn an. Sie trägt schon ihre Kellnerinnenkleidung, den schwarzen Rock und die weiße Bluse. »Du mußt jetzt aufstehen«, sagt sie. »Wo ist Samuel?« fragt Joel.
Aber er weiß es ja. Papa Samuel ist schon seit mehreren Stunden im Wald. Er sägt und hackt, und um ihn herum stehen die
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